Leitsatz
Das OLG Hamm hat sich in dieser Entscheidung mit der Abgrenzung zwischen dynamischen und statischen Anwartschaften und deren Behandlung im Versorgungsausgleich auseinandergesetzt.
Sachverhalt
Das FamG hatte durch Verbundurteil vom 28.1.2005 die Ehe der Parteien geschieden und den Versorgungsausgleich durchgeführt. Als Ehezeit für den Versorgungsausgleich wurde die Zeit vom 1.6.1985 bis zum 31.10.2002 zugrunde gelegt. Beide Parteien hatten während dieser Zeit Rentenanwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben. Außerdem verfügte der Antragsgegner über Rentenanwartschaften bei der E. mit einem Ehezeitanteil von 1.474,92 EUR. Die E. hat ihre Rechtsform mit Wirkung zum 1.1.2006 in einen rechtfähigen Verein auf Gegenseitigkeit (VVaG) umgewandelt. Sie finanziert ihre Verpflichtungen im Wege der Anwartschaftsdeckung. Zu diesem Zweck war nach § 57 der Satzung der E. mindestens alle drei Jahre durch einen versicherungsmathematischen Sachverständigen im Rahmen eines der Aufsichtsbehörde einzureichenden Gutachten eine Prüfung ihrer Vermögenslage vorzunehmen. Ein sich nach den erforderlichen Verlustrücklagen ergebender Überschuss war nach § 57 Abs. III ihrer Satzung der Rückstellung für Beitragsrückerstattung zuzuführen, der durch Beschluss der Hauptversammlung zur Erhöhung oder Erweiterung der Leistungen oder zur Ermäßigung der Beiträge oder für alle genannten Zwecke zugleich zu verwenden war.
Das FamG hat den Versorgungsausgleich in der Weise geregelt, dass es im Wege des Rentensplittings vom Versicherungskonto des Antragsgegners Rentenanwartschaften i.H.v. monatlich 179,73 EUR auf das Versicherungskonto der Antragstellerin übertragen hat, sowie im Wege des analogen Quasisplittings weitere 17,32 EUR zu Lasten der für den Antragsgegner bei der Beschwerdeführerin, der E., bestehenden Versorgungsanwartschaften auf dem gesetzlichen Rentenversicherungskonto der Antragstellerin begründet hat. Bei der Berechnung der betrieblichen Rentenanwartschaft des Antragsgegners ist das erstinstanzliche Gericht davon ausgegangen, dass diese im Anwartschaftsstadium als statisch und im Leistungsstadium als dynamisch zu bewerten sei.
Hiergegen wandte sich die Beschwerdeführerin, die E., und begehrte Abänderung des erstinstanzlichen Urteils dahingehend, dass anstelle von 17,32 EUR lediglich 10,50 EUR zu Lasten der E. auf dem gesetzlichen Rentenversicherungskonto der Ehefrau begründet werden.
Zur Begründung wies sie darauf hin, dass die Anwartschaft sowohl im Anwartschafts-, wie im Leistungsstadium als statisch zu behandeln sei. Das OLG hat die Beschwerde der E. zurückgewiesen. Auf die von der Beschwerdeführerin hiergegen erhobene Rechtsbeschwerde hat der BGH den Beschluss des OLG vom 30.8.2005 aufgehoben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das OLG zurückverwiesen.
Entscheidung
Das OLG hatte die Geschäftsberichte der Beschwerdeführerin für die Jahre 1998 bis 2008 angefordert und ein Sachverständigengutachten zur Frage der Dynamik der Rentenanwartschaften bei der E. eingeholt.
In der Sache selbst hielt das OLG die Beschwerde für begründet. Das FamG sei bei der Bewertung des Versorgungsanrechts des Antragsgegners bei der E. von unzutreffenden Voraussetzungen ausgegangen.
Die Anwartschaft des Antragsgegners bei der E. sei sowohl im Anwartschafts- als auch im Leistungsstadium als statisch zu bewerten. Insoweit hielt das OLG an der zuvor von ihm vertretenen Auffassung nicht fest.
Nach der Rechtsprechung des BGH, der sich das OLG anschloss, könne eine Versorgung nur dann als volldynamisch anerkannt werden, wenn sowohl die Anwartschaften als auch die Leistungen regelmäßig der allgemeinen Einkommensentwicklung angepasst würden.
Dabei reiche es für die Annahme der Dynamik einer Versorgung im Anwartschaftsstadium nicht aus, wenn etwa die Beiträge an eine regelmäßig angepasste allgemeine Bemessungsgrundlage gekoppelt würden und das Mitglied infolgedessen mit jeder Anhebung dieser Bemessungsgrundlage entsprechend höhere Anwartschaften erwerben müsse (sog. Beitragsdynamik).
Vielmehr müsse der Wertzuwachs an eine unabhängig vom individuellen Versicherungsverlauf eintretende allgemeine Einkommensentwicklung geknüpft sein. Ein Rechtsanspruch auf Anpassung sei nicht erforderlich. Entscheidend sei, ob der Wert dieses Anrechts tatsächlich in gleicher oder nahezu gleicher Weise steige wie derjenige eines in der gesetzlichen Rentenversicherung oder in der Beamtenversorgung begründeten Anrechts. Um den volldynamischen Charakter zu bejahen, genüge es, dass der Zuwachs mit demjenigen in einer der beiden vom Gesetz als volldynamisch anerkannten Versorgungen Schritt halte (vgl. BGH FamRZ 2004, 1474, 1475).
Dabei komme es nicht darauf an, wie sich die Steigerungsraten des Anrechts im Anwartschafts- und Leistungsstadium in der Vergangenheit entwickelt hätten. Entscheidend für die Bewertung des Anrechts sei, welche Steigerungsraten in Zukunft zu erwarten seien.
Vorliegend sprächen die für die Prognose maßgeblichen Umstände dafür, das...