Leitsatz
Eheleute hatten bis zur Einleitung des Ehescheidungsverfahrens 17 Jahre voneinander getrennt gelebt. Der im Rahmen des Versorgungsausgleichs ausgleichspflichtige Ehemann hatte während der Trennungszeit Ehegattenunterhalt geleistet, ohne die Ehefrau zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit aufzufordern. Es stellte sich daher die Frage, ob auch in diesem Fall die grundsätzlich vorzunehmende Kürzung des Wertausgleichs bei langer Trennungsdauer in Betracht kommt.
Sachverhalt
Die Parteien hatten im Jahre 1963 geheiratet. Aus ihrer Ehe waren drei Kinder hervorgegangen, von denen das jüngste im Jahre 1966 geboren wurde. Die Eheleute trennten sich im Jahre 1982. Der Scheidungsantrag wurde der Ehefrau im September 1999 zugestellt, die Ehe wurde im August 2000 geschieden.
Im Jahre 1982 war die Ehefrau mit den gemeinsamen Kindern aus der Ehewohnung ausgezogen. Während der gesamten Trennungszeit hatte der Ehemann aufgrund außergerichtlicher Vereinbarung der Parteien Ehegattenunterhalt von zuletzt monatlich 1.000,00 DM gezahlt. Die Ehefrau war gelernte technische Zeichnerin, seit dem Jahre 1964 jedoch nicht mehr sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Während der Ehezeit ging sie lediglich unregelmäßig geringfügigen Beschäftigungen nach. Im Rahmen des Scheidungsverbundes einigten sich die Parteien auf von dem Ehemann zu zahlenden nachehelichen Unterhalt i.H.v. 1.075,00 DM monatlich.
Das erstinstanzliche Gericht regelte den Versorgungsausgleich dahingehend, dass von dem Versicherungskonto des Ehemannes auf das Versicherungskonto der Ehefrau Rentenanwartschaften i.H.v. 1.515,66 DM zu übertragen waren. Dem Begehren des Ehemannes, den Versorgungsausgleich nur beschränkt durchzuführen, wurde nicht entsprochen.
Gegen die Entscheidung zum Versorgungsausgleich legten die DRV Bund, der DRV KBS und der Antragsteller Beschwerde ein. Das OLG änderte die Entscheidung zum Versorgungsausgleich dahingehend ab, dass zu Lasten der Versorgungsanwartschaften des Ehemannes auf dem Versicherungskonto der Ehefrau Rentenanwartschaften i.H.v. 872,62 DM begründet wurden. Wegen der langen Trennungszeit der Parteien legte das OLG als fiktive Ehezeit den 30.6.1992 zugrunde und holte entsprechende Auskünfte ein.
Die Ehefrau verfolgte mit der zugelassenen weiteren Beschwerde das Ziel eines ungekürzten Versorgungsausgleichs weiter.
Entscheidung
Der BGH teilte die vom OLG vertretene Auffassung insoweit, als eine lange Trennungszeit der Parteien Anlass geben könne, den Ausschluss oder die Herabsetzung des Versorgungsausgleichs wegen grober Unbilligkeit zu überprüfen, da in einem solchen Fall dem Versorgungsausgleich die eigentlich rechtfertigende Grundlage fehle. Jede Ehe sei infolge der auf Lebenszeit angelegten Gemeinschaft schon während der Phase der Erwerbstätigkeit im Keim eine Versorgungsgemeinschaft, die der beiderseitigen Alterssicherung dienen solle. Habe eine solche Versorgungsgemeinschaft wegen langer Trennungszeit nicht mehr bestanden, könne eine Korrektur des Versorgungsausgleichs deshalb unter Billigkeitsgesichtspunkten gerechtfertigt sein.
Eine Beschränkung des Versorgungsausgleichs stehe nicht entgegen, dass § 1587 BGB den Wertausgleich grundsätzlich für die gesamte Ehezeit vorschreibe. Diese Regelung beruhe in erster Linie auf Zweckmäßigkeitserwägungen, insbesondere habe der Gesetzgeber dem Ausgleichsverpflichteten die Möglichkeit nehmen wollen, den Ausgleichsanspruch durch Trennung von dem Ehegatten zu manipulieren (BGH, Beschl. v. 19.5.2004 - XII ZB 14/03, BGHReport 2004, 1281 = MDR 2004, 1185 = FamRZ 2004, 1181 [1183]; BT-Drucks. 7/4361, 36).
Allerdings erfordere § 1587c Nr. 1 BGB für einen Ausschluss oder eine Herabsetzung des Wertausgleichs eine grobe Unbilligkeit. Eine rein schematische Durchführung des Versorgungsausgleichs müsse unter den besonderen Gegebenheit des konkreten Falles dem Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, nämlich eine dauerhaft gleichmäßige Teilhabe beider Ehegatten an den in der Ehezeit erworbenen Versorgungsanrechten zu gewährleisten, in unerträglicher Weise widersprechen. Hierbei verbiete sich eine schematische Betrachtungsweise. Die grobe Unbilligkeit müsse sich vielmehr wegen des Ausnahmecharakters von § 1587c BGB im Einzelfall aus einer Gesamtabwägung der wirtschaftlichen, sozialen und persönlichen Verhältnisse beider Ehegatten ergeben.
Nach Auffassung des BGH rechtfertigten die Feststellungen des OLG die Annahme einer groben Unbilligkeit nicht. Der Ehemann habe während der gesamten Trennungszeit Ehegattenunterhalt geleistet, der das wesentliche Einkommen der Ehefrau darstellte. Mit den widerspruchslosen Zahlungen habe er nicht nur unterhaltsrechtlich einen Vertrauenstatbestand geschaffen, der den Zeitpunkt für ihre Erwerbsobliegenheit hinausschiebe. Erst nach Zustellung des Ehescheidungsantrages habe er die Ehefrau darauf verwiesen, einer eigenen Erwerbstätigkeit nachgehen zu können bzw. zu müssen.
Mit seinen Zahlungen habe er zu erkennen gegeben, die eheliche Solidarität auch nach der Trennung nicht voll...