Leitsatz

Sind beide Ehegatten ausländische Staatsangehörige (hier: türkische Staatsangehörige) und hat ein Ehegatte Anwartschaften in der deutschen Rentenversicherung erworben, findet der Versorgungsausgleich zwischen ihnen nach Art. 17 Abs. 3 S. 2 EGBGB nur dann statt, wenn die Durchführung nicht der Billigkeit widerspricht.

Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen. Lebt der ausgleichsberechtigte Ehegatte in der gemeinsamen Heimat, rechtfertigen die dort bestehenden geringeren Lebenshaltungskosten eine Herabsetzung des Versorgungsausgleichs. Umgekehrt muss geprüft werden, ob nach § 113 Abs. 3 SGB 6 im Nicht-EG-Ausland die Rente nur mit 70 % des Inlandswertes ausgezahlt wird.

 

Sachverhalt

Die Parteien waren beide türkische Staatsangehörige und hatten im Juni 1956 in der Türkei geheiratet. Aus der Ehe waren vier inzwischen volljährige und in der Türkei aufgewachsene Kinder hervorgegangen. Der im Jahre 1933 geborene Ehemann war 1970 ohne seine Familie zur Erwerbstätigkeit nach Deutschland gekommen, wo er seither lebte. Die im Jahre 1942 geborene Ehefrau, die zu keinem Zeitpunkt sozialversicherungspflichtig tätig war, lebte im Haushalt eines ihrer Söhne in der Türkei.

Auf den am 4.9.1997 zugestellten Antrag der Ehefrau ist die Ehe durch Verbundurteil des AG nach türkischem Recht geschieden worden. Gleichzeitig hat das FamG auf Antrag der Ehefrau nach Art. 17 Abs. 3 S. 2 EGBG den Versorgungsausgleich dahingehend geregelt, dass von dem Versicherungskonto des Antragsgegners auf ein bei der DRV Bund einzurichtendes Versicherungskonto der Antragstellerin Rentenanwartschaften i.H.v. monatlich 436,80 DM übertragen werden.

Nach den Feststellungen des AG hatte der Antragsgegner bei der Deutschen Rentenversicherung Ostbayern während der Ehezeit inländische Versorgungsanwartschaften i.H.v. monatlich 873,61 DM erworben, die Antragstellerin verfügte über keinerlei Rentenanwartschaften.

Der Antragsgegner hat gegen die Entscheidung zum Versorgungsausgleich Beschwerde eingelegt und geltend gemacht, der Wertausgleich sei unter Billigkeitsgesichtspunkten auszuschließen. Er habe der Antragstellerin anlässlich diverser Besuche in der Türkei insgesamt 65.000,00 DM überlassen, damit sie hiervon den Erwerb einer Immobilie für ihr Alter finanzieren könne. Die Antragstellerin hat den Erhalt jeglicher Zuwendungen bestritten.

Das KG hat die Entscheidung zum Versorgungsausgleich zunächst dahingehend abgeändert, dass von dem Versicherungskonto des Ehemannes auf ein einzurichtendes Konto der Antragstellerin bei der DRV Bund Rentenanwartschaften i.H.v. monatlich 145,60 DM zu übertragen seien. Die Kürzung gem. Art. 17 Abs. 3 S. 2 letzter Halbs. EGBG auf ein Drittel des hälftigen Wertunterschiedes wurde mit den im Vergleich zu Deutschland geringeren Lebenshaltungskosten in der Türkei begründet. Auf die zugelassene weitere Beschwerde der Ehefrau hat der BGH die Entscheidung des KG aufgehoben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Mit Beschluss vom 3.3.2003 hat das KG eine Herabsetzung auf 50 % des hälftigen Wertunterschiedes befürwortet und die Entscheidung des AG zum Versorgungsausgleich dahingehend abgeändert, dass von dem Versicherungskonto des Ehemannes bei der DRV Oberbayern auf ein einzurichtendes Konto der Antragstellerin bei der DRV Bund Rentenanwartschaften i.H.v. 111,67 EUR übertragen werden. Hiergegen wandte sich die zugelassene Rechtsbeschwerde des Ehemannes, mit der er einen Ausschluss des Versorgungsausgleichs begehrte.

 

Entscheidung

Der BGH sah kein Problem darin, dass das KG bei unverändert gebliebenem Sachverhalt aufgrund einer neuen Billigkeitsabwägung zu einem höheren Ausgleich kam, weil die vorherige Entscheidung in vollem Umfang aufgehoben und eine neue Entscheidung nur durch das Verbot einer "reformatio in peius" eingeschränkt sei. Der BGH billigte auch das Unterbleiben einer Beweisaufnahme über angebliche Vorsorgeleistungen an die Ehefrau, weil der Vorsorgecharakter der angeblichen Leistungen nicht nachvollziehbar sei.

Die Behauptung des Ehemannes, die Berechtigte habe in der Türkei Anrechte durch die Erwerbstätigkeit des Sohnes erworben, sah es als nicht relevant an und verwies die Sache zur weiteren Aufklärung zurück.

 

Hinweis

Zur Feststellung, ob bzw. in welcher Höhe die Ehefrau über Anrechte aus der türkischen gesetzlichen Rentenversicherung verfügt, kann das KG - wie vom BGH vorgeschlagen - ihr zunächst entsprechend 11 Abs. 2 VAHRG aufgeben, genauere Auskünfte zu erteilen. Ferner kann es über die Verbindungsstelle der Deutschen Rentenversicherung für die Türkei mit einem Auskunftsersuchen an den türkischen Versicherungsträger herangetreten oder einen Sachverständigen zu Rate ziehen.

 

Link zur Entscheidung

BGH, Beschluss vom 20.12.2006, XII ZB 64/03

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