Leitsatz
Gegenstand des Verfahrens war die Bewertung französischer Rentenanwartschaften beim Versorgungsausgleich.
Sachverhalt
Die Beteiligten stritten um die Bewertung französischer Rentenanwartschaften. Die Antragstellerin war französische, der Antragsgegner deutscher Staatsangehöriger. Sie hatten im Jahre 2000 geheiratet. Aus ihrer Ehe war ein ebenfalls im Jahre 2000 geborenes Kind hervorgegangen.
Die Ehe der Parteien wurde mit Urteil des AG vom 15.10.2008 geschieden. Der Versorgungsausgleich wurde dahingehend geregelt, dass von dem Konto des Antragsgegners bei der DRV Bund Rentenanwartschaften i.H.v. monatlich 36,48 EUR auf das Konto der Antragstellerin bei der DRV Bund übertragen wurden. Zur Begründung hat das AG ausgeführt, in der Ehezeit vom 1.7.2000 bis 30.6.2006 habe der Antragsgegner Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung i.H.v. monatlich 238,01 EUR und die Antragstellerin i.H.v. monatlich 165,05 EUR erworben. In Höhe der Hälfte des Differenzbetrages von 72,96 EUR, mithin i.H.v. 36,48 EUR, sei der Antragsgegner ausgleichspflichtig.
Gegen die Entscheidung zum Versorgungsausgleich hat die DRV Bund Beschwerde eingelegt und zur Begründung ausgeführt, es sei davon auszugehen, dass die Antragstellerin eigene französische Rentenanwartschaften erworben habe, die in die Ausgleichsbilanz des Versorgungsausgleichs einzubeziehen seien.
Die Antragstellerin hat hierzu die Auffassung vertreten, die zeitlich nicht lagerbaren französischen Rentenanwartschaften seien nicht fiktiv einem bestimmten Zeitraum zuzuordnen. Nach französischem Recht würden die Kindererziehungszeiten lediglich die Gesamtversicherungsrente erhöhen und sich der Wert relativ zur Versicherungsdauer verändern. Es sei daher systemwidrig, im Rahmen des deutschen Versorgungsausgleichs den vollen Wert in den Ausgleich einzustellen, nachdem sie während der Ehezeit kein versicherungspflichtiges Einkommen erzielt habe.
Das Rechtsmittel der DRV Bund erwies sich als begründet.
Entscheidung
In dem gemäß Art. 17 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 S. 1, 14 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB durchzuführenden Versorgungsausgleich seien neben den vom AG einbezogenen Rentenanwartschaften der Antragstellerin und des Antragsgegners bei der DRV Bund zusätzlich noch die Rentenanwartschaften der Antragstellerin in Frankreich zu berücksichtigen.
Grundsätzlich seien Rentenanwartschaften eines ausländischen Sozialversicherungsträgers in die Bewertung einzubeziehen. Vorliegend habe die Antragstellerin ohne Berücksichtigung der Anwartschaften aus der französischen Rentenversicherung die geringeren Anwartschaften erworben. Aufseiten des Berechtigten seien solche Anrechte immer einzustellen und ggf. mittels eines Sachverständigengutachtens zu bewerten (Borth, Versorgungsausgleich, 4. Aufl., Rz. 210).
Für Anwartschaften aus der französischen Rentenversicherung hätten diese Grundsätze grundsätzlich uneingeschränkt Geltung. Die Einbeziehungsfähigkeit französischer Rentenanwartschaften sei in der Rechtsprechung grundsätzlich anerkannt (vgl. OLG Karlsruhe FamRZ 2002, 962).
Der Sachverständige habe in seinem Gutachten ausgeführt, dass das französische gesetzliche System der sozialen Sicherheit für Erwerbstätige (Sécurité Sociale), hier das Allgemeine System (Régime Général) eine Alters-, Invaliditäts- und Hinterbliebenensicherung gewähre. Die Finanzierung erfolge überwiegend aus Beiträgen, die sich am Einkommen orientierten. Mit dem Sachverständigen sei davon auszugehen, dass das System sowohl in der Finanzierung als auch bei den Leistungen der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung bzw. der Beamtenversorgung in der Funktion vergleichbar und daher in den Versorgungsausgleich einzubeziehen sei.
Entgegen der Auffassung der Antragstellerin seien auch die Kindererziehungszeiten zu berücksichtigen. Der Sachverständige habe in seinem Gutachten erläutert, dass die Kindererziehungszeiten in der französischen Rentenversicherung zeitlich nicht bestimmten Jahren zugeordnet seien, sondern die Gesamtversicherungszeiten erhöhten. Die Berechtigte erhalte eine pauschale Anzahl von Trimestern gutgeschrieben, die jedoch nur von relativem Wert seien. Je länger die Versicherungsdauer sei, je geringer sei der Einfluss und Wert der Kindererziehungszeiten.
Aufgrund des Umstandes, dass die Geburt des Kindes und die Erziehungszeit in die Ehezeit fielen, sei von einem ehezeitbezogenen Erwerb auszugehen. Dieser Erwerb der Antragstellerin trage dem Prinzip des ehezeitbezogenen Erwerbs aufgrund einer gemeinsamen Lebensleistung Rechnung. Nach dem Gedanken des Erwerbs aufgrund einer gemeinsamen Lebensleistung gelte im Versorgungsausgleich grundsätzlich das In-Prinzip (BGH FamRZ 1981, 1169).
Die Kindererziehungszeiten seien entsprechend der Bewertung des Sachverständigen insgesamt in den Ausgleich einzubeziehen.
Link zur Entscheidung
OLG Karlsruhe, Beschluss vom 22.04.2010, 2 UF 167/08