Leitsatz
Zentrales Problem dieser Entscheidung war die Frage, wann die Voraussetzungen für eine Einschränkung des Versorgungsausgleichs wegen grober Unbilligkeit vorliegen.
Sachverhalt
Durch Verbundurteil vom 8.4.2009 hatte das Familiengericht die Ehe der Parteien geschieden und den Versorgungsausgleich dahingehend geregelt, dass von dem Versicherungskonto der Antragstellerin bei der DRV Bund auf das Versicherungskonto des Antragsgegners bei der DRV Nord Rentenanwartschaften von monatlich 49,70 EUR, bezogen auf das Ende der Ehezeit am 31.7.2008, übertragen wurden. Darüber hinaus hat das Familiengericht dem erstinstanzlichen Antrag der Antragstellerin entsprochen und den Versorgungsausgleich ausgeschlossen.
Hiergegen wandte sich der Antragsgegner mit der Beschwerde.
Er trug vor, die Feststellung des Familiengerichts, er habe eine 20jährige Liebesaffäre mit einer guten Freundin der Antragstellerin unterhalten, entspreche nicht der Wahrheit. Zwar sei er in diese Freundin verliebt gewesen, habe die Liebesbeziehung aber bis zum Jahre 2006 nicht ausgelebt. Außerdem habe er die sich aus der ehelichen Lebensgemeinschaft mit der Antragstellerin ergebenden Verpflichtungen während der Dauer der Ehe erfüllt, indem er einen Großteil der Kindererziehung übernommen habe. Auch habe er für Verbindlichkeiten der Antragstellerin eine Grundschuld auf seinen Betrieb eintragen lassen sowie eine Bürgschaft übernommen.
Er sei nicht anderweitig durch Vermögen gesichert und bedürfe deswegen des Versorgungsausgleichs.
Das Rechtsmittel des Antragstellers war erfolgreich.
Entscheidung
Nach Auffassung des OLG war der Anspruch des Antragsgegners auf Durchführung des Versorgungsausgleichs nicht gemäß § 1587c BGB beschränkt.
Nach der Berechnung des OLG hatte der Antragsgegner einen Anspruch auf Versorgungsausgleich i.H.v. 1.118,81 EUR, eine Beschränkung dieses Anspruchs komme nicht in Betracht.
Gemäß § 1587c Nr. 1 BGB finde der Versorgungsausgleich nur dann nicht statt, wenn die Inanspruchnahme des Verpflichteten unter Berücksichtigung der beiderseitigen Verhältnisse, insbesondere des beiderseitigen Vermögenserwerbs während der Ehe und im Zusammenhang mit der Scheidung grob unbillig wäre. Hierbei dürften Umstände nicht allein deshalb berücksichtigt werden, weil sie zum Scheitern der Ehe geführt hätten. Die grobe Unbilligkeit eines uneingeschränkten Versorgungsausgleichs müsse sich aus einer Gesamtschau der beiderseitigen wirtschaftlichen, sozialen und persönlichen Verhältnisse ergeben.
Im vorliegenden Fall habe das erstinstanzliche Gericht rechtsfehlerfrei festgestellt, dass der Antragsgegner über 20 Jahre hinweg während seiner Ehe mit der Antragstellerin ein Liebesverhältnis zu einer guten Freundin seiner Frau unterhalten habe. Beweiserhebung und Beweiswürdigung durch das AG wiesen keine Fehler auf.
Das hierin liegende schwerwiegende persönliche Fehlverhalten des Antragsgegners spreche für eine Unbilligkeit des Versorgungsausgleichs.
Es sei jedoch lediglich ein Faktor, der im Rahmen der Berücksichtigung der beiderseitigen Verhältnisse in Betracht zu ziehen sei. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, ob und wieweit der Antragsgegner während der Ehezeit seine sonstigen familiären Pflichten der Antragstellerin ggü. erfüllt habe.
Ferner sei zu berücksichtigen, dass die geschiedenen Eheleute noch wirtschaftlich miteinander verflochten seien. Der Antragsgegner habe seinen Grundbesitz zugunsten der Antragstellerin belastet und hafte darüber hinaus im Rahmen seiner Bürgschaft für ihre Verbindlichkeiten. Aufgrund der nun eingetretenen vorläufigen Insolvenzeröffnung müsse er auf Verbindlichkeiten der Antragstellerin zahlen.
In diesem Zusammenhang falle auch ins Gewicht, dass die Versorgungsanwartschaften des Antragsgegners ggü. der Anwartschaften der Antragstellerin wesentlich niedriger seien, so dass der Antragsgegner auf den Versorgungsausgleich wirtschaftlich angewiesen sei.
Schließlich könne sich die Antragstellerin nicht darauf berufen, sie hätte sich bei rechtzeitiger Offenbarung des Liebesverhältnisses des Antragsgegners frühzeitig von diesem getrennt, so dass dieser keine Gelegenheit gehabt hätte, Versorgungsausgleichsansprüche gegen die Antragstellerin zu erwerben. Hierbei handele es sich um eine rein hypothetische Erwägung, die bei der Beantwortung der Frage, ob der Vorsorgungsausgleich im konkreten Fall unbillig sei, nicht berücksichtigt werden könne.
Unter Abwägung aller Umstände ergäbe sich, dass der Faktor des Ehebruchs hinter den Faktoren der Erfüllung der familiären Verpflichtung während der Ehezeit, der wirtschaftlichen Verflechtung der Eheleute sowie der Angewiesenheit des Antragsgegners auf den Versorgungsausgleich zurücktrete.
Der Versorgungsausgleich sei daher nicht wegen grober Unbilligkeit gemäß § 1587c Nr. 1 BGB einzuschränken.
Link zur Entscheidung
Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschluss vom 30.08.2010, 15 UF 84/09