Leitsatz

Wenn die ("kalten") Betriebskosten vereinbarungsgemäß nach dem Verhältnis der Fläche der Mietwohnung zur Gesamtwohnfläche umzulegen sind, hat der Vermieter die auf die leer stehenden Wohnungen entfallenden Betriebskosten grundsätzlich selbst zu tragen; dies gilt auch für verbrauchsabhängige Betriebskosten, die wegen fehlender Erfassung des Verbrauchs der einzelnen Mieter nach der Wohnfläche abgerechnet werden.

Ein Anspruch des Vermieters auf eine Abänderung des vertraglich vereinbaren Flächenschlüssels wegen des Leerstands von Wohnungen kann unter den Voraussetzungen einer Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) bestehen (amtlicher Leitsatz des BGH).

 

Normenkette

BGB § 566a

 

Kommentar

Zwischen den Parteien bestand ein Mietvertrag vom 11.9.1984. Nach diesem Mietvertrag hatte der Mieter die Betriebskosten zu tragen; der Vermieter war verpflichtet, hierüber jährlich abzurechnen. Ein Umlageschlüssel war nicht vereinbart, jedoch hatte der Vermieter die Betriebskosten in der Vergangenheit stets nach dem Verhältnis der Wohnflächen auf die Mieter umgelegt.

Das Wohngebäude bestand aus 35 Wohnungen mit einer Fläche von insgesamt 1.749,20 qm. Allerdings gab es in der Vergangenheit immer wieder Zeiten, in denen eine oder zwei Wohnungen leer standen. Dies hatte zur Folge, dass den leer stehenden Wohnungen verbrauchsbedingte Betriebskosten wie Wasser, Abwasser, Müllabfuhr, Strom für Beleuchtung und den Fahrstuhl zugeordnet wurden, obwohl in diesen Wohnungen weder Wasser verbraucht noch Abwasser oder Müll produziert wurde. Diese Kosten fielen dem Vermieter zur Last.

Der Vermieter hat dies als unbillig angesehen. Er will für die Zukunft die verbrauchsbedingten Betriebskosten nach dem Verhältnis der Flächen der vermieteten Wohnungen umlegen. Der Vermieter hat beantragt, den Mieter zu verurteilen, einer solchen Änderung des Verteilungsschlüssels zuzustimmen. Seine Klage wurde von den Instanzgerichten abgewiesen. Die Revision des Vermieters zum BGH hatte keinen Erfolg.

Der BGH hat nach folgenden Grundsätzen entschieden:

1. Haben die Parteien die Betriebskosten "jahrelang einvernehmlich" nach dem Verhältnis der Gesamtwohnfläche umgelegt, so kommt hierdurch eine stillschweigende Vereinbarung über den Umlagemaßstab zu Stande.

2. Eine Vereinbarung, wonach die verbrauchsbedingten Betriebskosten nach dem Verhältnis der Gesamtwohnfläche umgelegt werden, entspricht der seit 1.9.2001 geltenden gesetzlichen Regelung (§ 556a BGB). Eine solche Vereinbarung ist nicht zu beanstanden.

3. Die gesetzliche Regelung kann nicht einschränkend dahingehend ausgelegt werden, dass mit dem Begriff der "Wohnfläche" die jeweils vermietete Fläche gemeint ist.

4. An einen vereinbarten Umlageschlüssel ist der Vermieter gebunden. Der Umlageschlüssel kann nur durch Vertrag geändert werden. Der Mieter muss der Änderungsvereinbarung zustimmen.

5. Nach dem amtlichen Leitsatz kann der Vermieter unter den Voraussetzungen einer Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) einen Anspruch auf Abänderung des Flächenschlüssels wegen des Leerstands von Wohnungen haben. Der BGH hat aber nicht abschließend entschieden, ob die genannte Regelung überhaupt auf Fälle der hier vorliegenden Art anzuwenden ist.

a) Der BGH hat offengelassen, ob ein zeitweiliger Leerstand von Wohnungen die Geschäftsgrundlage des Mietvertrags berührt, ob also die Vollvermietung als gemeinsame Geschäftsgrundlage des Vertrags anzusehen ist.

b) Es gilt der Grundsatz, dass die Anwendung des § 313 BGB nicht zu einer Änderung der vertraglichen Risikoverteilung führen darf. Das Leerstandsrisiko ist nach dem Gesetz dem Vermieter zugewiesen.

c) Eine unzumutbare Störung der Geschäftsgrundlage ist jedenfalls "bei einem Leerstand geringen Umfangs oder kurzer Dauer" zu verneinen. Des Weiteren ist zu bedenken, dass der Vermieter eine gerechtere Umlage der Wasserkosten erreichen kann, wenn er Zwischenwasserzähler installiert. In diesem Fall hat der Vermieter einen gesetzlichen Anspruch auf Änderung des Umlagemaßstabs.

d) Gegen einen Änderungsanspruch spricht schließlich, dass die Abrechnung über die verbrauchsabhängigen Betriebskosten unübersichtlich würde, wenn beim Umlagemaßstab ein ständig wechselnder Leerstand zu berücksichtigen wäre.

6. Der BGH hat offengelassen, ob sich aus § 242 BGB ein Anspruch auf Änderung des Umlageschlüssels ableiten lässt, nachdem das Rechtsinstitut der Geschäftsgrundlage nicht mehr in § 242, sondern in § 313 BGB geregelt ist. Jedenfalls setzt auch die Anwendung des § 242 BGB voraus, dass der vereinbarte Umlageschlüssel wegen einer Änderung der tatsächlichen Verhältnisse grob unbillig geworden ist.

 

Link zur Entscheidung

BGH, Urteil vom 31.05.2006, VIII ZR 159/05, NZM 2006, 655

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