Für Maßnahmen, die über die ordnungsmäßige Erhaltung (früher: Instandhaltung und Instandsetzung) des Sondereigentums hinausgehen, ordnet § 13 Abs. 2 WEG eine Gestattungsbeschlussfassung an, soweit durch die entsprechende Maßnahme anderen Wohnungseigentümern ein über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinausgehender Nachteil erwächst. § 13 Abs. 2 WEG betrifft also bauliche Veränderungen des Sondereigentums.

 

Prüfungsreihenfolge bei baulicher Veränderung im Sondereigentum

  1. Birgt die durchzuführende Maßnahme die konkrete Gefahr eines Nachteils für andere Wohnungseigentümer?

    Zunächst einmal muss eine (Bau-)Maßnahme am Sondereigentum die konkrete Gefahr eines Nachteils anderer Wohnungseigentümer bergen, der über das Maß dessen hinaus geht, was bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidbar ist. Wie bei einer baulichen Veränderung des Gemeinschaftseigentums nach § 20 Abs. 3 WEG, kann dies insbesondere der Fall sein bei

    • Eingriffen in die Statik und Substanz des Gemeinschaftseigentums;
    • Schäden am Gemeinschaftseigentum oder dem Sondereigentum anderer Wohnungseigentümer;
    • nachteiliger Veränderung des optischen Gesamteindrucks;
    • Gefährdung anderer Wohnungseigentümer;
    • Immissionen;
    • wirtschaftlicher Entwertung des Eigentums anderer Wohnungseigentümer.

    Bei der entsprechenden Beurteilung sind – entgegen des bei baulichen Veränderungen des Gemeinschaftseigentums geltenden Grundsatzes "Keine Gleichheit im Unrecht" – sonstige bauliche Veränderungen am Gemeinschaftseigentum zu berücksichtigen.[1] Eine weitere Grenze setzt § 20 Abs. 4 WEG, wonach bauliche Veränderungen die Wohnanlage nicht grundlegend umgestalten dürfen und insbesondere einzelne Wohnungseigentümer nicht gegenüber anderen unbillig benachteiligen dürfen.

  2. Handelt es sich um eine Erhaltungsmaßnahme?

    Ergibt die Beurteilung, dass mit der (Bau-)Maßnahme ein rechtlich relevanter Nachteil für andere Wohnungseigentümer verbunden ist, ist zu prüfen, ob es sich ggf. nur um eine Erhaltungsmaßnahme handelt, etwa weil Instandhaltungs- oder Instandsetzungsbedarf bestanden hat und das entsprechende Bauteil nicht mehr in seiner ursprünglichen Form und Ausgestaltung am Markt geführt wird. Dann bedarf es keiner Gestattungsbeschlussfassung der übrigen Wohnungseigentümer.

  3. Führt die Baumaßnahme zu einem Nachteil bei anderen Wohnungseigentümern?

    Handelt es sich um eine Maßnahme, die über die Erhaltung des Sondereigentums hinausgeht, muss der betreffende Wohnungseigentümer nur dann einen Beschluss der übrigen Wohnungseigentümer herbeiführen, wenn die Baumaßnahme zu einem Nachteil bei anderen Wohnungseigentümern führt, der über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidbare Maß hinausgeht. Liegt ein solcher Nachteil tatsächlich vor, muss der Wohnungseigentümer eine Beschlussfassung auch dann initiieren, wenn die nachteilig betroffenen Wohnungseigentümer dennoch mit der Baumaßnahme einverstanden sind. In diesem Fall verleiht § 13 Abs. 2 i. V. m. § 20 Abs. 3 WEG dem Wohnungseigentümer einen Anspruch auf Gestattungsbeschlussfassung.

 
Praxis-Beispiel

Die Garage mit Zufahrt

Auf Grundlage der Neuregelung in § 3 Abs. 2 WEG erstreckt sich das Sondereigentum einer Reihenhausanlage nach der Teilungserklärung und dem Aufteilungsplan jeweils auch auf die hinterliegenden Gartenflächen der einzelnen Häuser. Einer der Wohnungseigentümer plant die Errichtung einer Garage nebst Zufahrt über den hinterliegenden befahrbaren Weg im Bereich seiner Gartenfläche. Tatsächlich werden insoweit nur die beiden rechts und links unmittelbar angrenzenden Sondereigentumseinheiten durch verstärkte Lärm- und Abgasimmissionen beeinträchtigt sein. Beide angrenzenden Wohnungseigentümer erklären gegenüber dem bauwilligen Wohnungseigentümer ihr Einverständnis mit der Baumaßnahme.

Obwohl die beiden angrenzenden Eigentümer ihr Einverständnis mit der Baumaßnahme erklärt haben, muss der bauwillige Wohnungseigentümer einen entsprechenden Gestattungsbeschluss herbeiführen, da die beiden angrenzenden Eigentümer tatsächlich einen Nachteil durch die Baumaßnahme erleiden, der sie im Übrigen auch gegenüber anderen Wohnungseigentümern unbillig benachteiligt.[2] Für den Fall, dass der Beschluss wegen der Gegenstimmen anderer Wohnungseigentümer nicht zustande kommen sollte, kann der bauwillige Wohnungseigentümer Beschlussersetzungsklage erheben. Sind nämlich tatsächlich nur die beiden angrenzenden Wohnungseigentümer durch die Baumaßnahme benachteiligt, deren Einverständnis bereits vorliegt, hat der bauwillige Wohnungseigentümer gegen die übrigen Wohnungseigentümer, die gerade nicht beeinträchtigt sind, einen Anspruch auf Gestattung der baulichen Veränderung.

Sollte einer der beiden beeinträchtigten angrenzenden Wohnungseigentümer allerdings mit der Baumaßnahme nicht einverstanden sein und dem Beschlussantrag nicht zustimmen und hat der Verwalter einen Negativbeschluss verkündet – auch wenn ansonsten die Mehrheit der Wohnungseigentümer zugestimmt hat –, kann der bauwillige Wohnungseigentümer im Rahmen einer Beschlusserset...

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