Alexander C. Blankenstein
Wohnungseigentümern steht es grundsätzlich frei, einen einmal gefassten Beschluss zu ändern, aufzuheben oder zu ergänzen. Freilich ist zu beachten, dass der Zweitbeschluss nicht unzulässig durch den Erstbeschluss entstandene und schützenswerte Interessen einzelner Wohnungseigentümer beschneidet oder aufhebt.
3.3.8.1 Inhaltsgleicher Zweitbeschluss
Heilung formeller Mängel
Eine inhaltsgleiche Zweitbeschlussfassung kommt im Regelfall dann in Betracht, wenn der Erstbeschluss an formellen Mängeln leidet und deshalb von Wohnungseigentümern angefochten wurde.
Beschlussfassung zu TOP "Verschiedenes"
Zu TOP "Verschiedenes" beschließen die Wohnungseigentümer eine Änderung der Kostenverteilung bestimmter Kostenarten nicht mehr nach Objekten, sondern nach Miteigentumsanteilen. Im Ladungsschreiben fanden sich keine konkretisierenden Informationen, was unter "Verschiedenes" zur Beschlussfassung stehen sollte. Einer der Wohnungseigentümer hat den Beschluss angefochten.
Ist der Erstbeschluss fehlerhaft zustande gekommen, etwa weil Ladungsmängel vorlagen, weil er im Ladungsschreiben nicht hinreichend angekündigt war, kann es jedenfalls sinnvoll sein, den Beschluss gleichen Inhalts auf der nächsten Eigentümerversammlung noch einmal zu fassen, sodass der Beschluss nunmehr rechtsfehlerfrei zustande kommen kann. Wird der inhaltsgleiche Zweitbeschluss sodann bestandskräftig, weil keine fristgerechte Anfechtung erfolgt, so ersetzt der Zweitbeschluss den Erstbeschluss. Eine entsprechende Anfechtungsklage des Erstbeschlusses erledigt sich in der Hauptsache. Der Zweitbeschluss muss im Übrigen mit dem Erstbeschluss nicht wörtlich übereinstimmen. Ein inhaltsgleicher Zweitbeschluss liegt vielmehr auch dann vor, wenn die Eigentümer bei einem abweichenden Wortlaut klar zum Ausdruck bringen, die im Erstbeschluss getroffene Regelung erneut zu wollen und diesen dadurch bestätigen.
Zermürbungstaktik
Zunächst ist grundsätzlich zu beachten, dass die Rechtskraft eines Urteils, das einen Erstbeschluss für ungültig erklärt hat, keine Sperrwirkung im Hinblick auf eine inhaltsgleiche Zweitbeschlussfassung entfaltet.
Die unzulässige bauliche Veränderung
Die Wohnungseigentümer hatten einem von ihnen mehrheitlich die Montage eines Klimageräts im Bereich seines Balkons gestattet. Der von den Geräuschimmissionen betroffene benachbarte Eigentümer hatte sein Einverständnis nicht erteilt und gegen den Beschluss gestimmt. Auf Erhebung einer Anfechtungsklage dieses Wohnungseigentümers hin wurde der Beschluss für ungültig erklärt. Die Entscheidung wird rechtskräftig. In einer weiteren Wohnungseigentümerversammlung beschließen die Wohnungseigentümer erneut die Gestattung des Klimageräts.
Die materielle Rechtskraft des Urteils, das den Erstbeschluss für ungültig erklärt hatte, steht einer erneuten inhaltsgleichen Beschlussfassung nicht entgegen. Die Grenze ist aber dann überschritten, wenn eine mehrfache Beschlussfassung etwa mit dem Ziel erfolgt, Wohnungseigentümer zu zermürben.
Der unliebsame Dritte
Die Wohnungseigentümergemeinschaft besteht aus 3 Wohneinheiten in Form einer Reihenhausanlage. 2 der 3 Wohnungseigentümer verstehen sich bestens. Sie beschließen die Montage von Klimageräten im Bereich der Außenfassade ihrer beiden links und rechts gelegenen Häuser. Der weitere Wohnungseigentümer, der als Eigentümer des Mittelhauses erheblichen Geräuschimmissionen ausgesetzt würde, erhebt Anfechtungsklage und obsiegt. Nach Rechtskraft der Entscheidung beschließen sie erneut die Errichtung der Klimageräte. Wiederum ist die Klage des 3. Wohnungseigentümers erfolgreich. Die beiden anderen Wohnungseigentümer sagen sich, irgendwann wird er schon klein beigeben und beschließen wiederum die Errichtung der Klimageräte.
Zweifellos widerspricht die wiederholte Beschlussfassung aus dem Grund, irgendwann einmal werde die Klagefrist versäumt werden oder es seien keine finanziellen Mittel vorhanden, Gerichts- und Anwaltsvorschüsse leisten zu können, ordnungsmäßiger Verwaltung. Allerdings dürfte in solchen Fällen von einer Beschlussnichtigkeit wegen Rechtsmissbrauchs auszugehen sein.
Erst- und Zweitbeschluss sind angefochten
Im Fall der Anfechtung des Erstbeschlusses ist in der Regel empfehlenswert, möglichst rasch den heilenden Zweitbeschluss zu fassen, sodass aus Kostengründen eine Erledigung des Anfechtungsverfahrens ermöglicht werden kann. Die Gerichtskosten verringern sich von 3 auf nur noch eine Gebühr. Voraussetzung ist allerdings, dass keine Entscheidung über die Kosten ergeht oder eine Einigung der Prozessparteien über die Kostentragung dem Gericht mitgeteilt wird. Tritt Erledigung, also Bestandskraft des Zweitbeschlusses, noch vor Durchführung der mündlichen Verhandlung ein, können auch die Terminsgebühren der Rechtsanwälte gespart werden.
Allerdings werden inhaltsgleiche Zeitbeschlüsse in der Praxis nicht lediglich wegen formaler Mängel angefochten, sondern auch wegen inhaltlicher Mängel.