1 Leitsatz
Die Wohnungseigentümer können dem Verwalter durch Beschluss über seine gesetzlichen Befugnisse hinausgehende Entscheidungskompetenzen für Erhaltungsmaßnahmen sowie für die Einschaltung von Sonderfachleuten übertragen, wenn die Kompetenzverlagerung für den einzelnen Wohnungseigentümer zu einem nur begrenzten und überschaubaren finanziellen Risiko führt.
2 Normenkette
§ 27 WEG a. F.
3 Das Problem
Die Wohnungseigentümer einer Wohnungseigentumsanlage mit 70 Wohnungen beschließen im Jahr 2019, mit der S-GmbH den in der Versammlung als Entwurf vorliegenden Verwaltervertrag zu schließen. Die Wohnungseigentümer bevollmächtigen 2 Wohnungseigentümer zur Unterzeichnung des Vertrags. Dieser Vertrag enthält u. a. folgende Regelungen: "Der Verwalter ist ferner berechtigt, […] Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen am gemeinschaftlichen Eigentum mit einem Auftragswert bis zu 4.000 EUR brutto im Einzelfall, bei mehreren Aufträgen pro Wirtschaftsjahr begrenzt auf ein Gesamtvolumen in Höhe von 8.000 EUR brutto ohne Beschlussfassung der Eigentümergemeinschaft einzuleiten, die entsprechenden Aufträge zu vergeben, kaufmännisch zu überwachen und kaufmännisch abzunehmen; dies unbeschadet der Befugnis des Verwalters, in dringenden Fällen sonstige zur Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums erforderliche Maßnahmen zu treffen; […] sich zur Durchführung von größeren Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen, Maßnahmen der modernisierenden Instandsetzung bzw. Modernisierung oder baulichen Änderungen (d. h. ab einem Auftragswert in Höhe von 10.000 EUR brutto im Einzelfall), namens und für Rechnung der Eigentümergemeinschaft sachkundiger Dritter (Architekten, Ingenieure, Gutachter u. a.) zu bedienen, wobei der Verwalter auf die ggf. bestehende Notwendigkeit der Begleitung einer solchen Maßnahme durch einen sachkundigen Dritten hinzuweisen hat und die entstehenden Kosten im Einzelfall den Betrag in Höhe von 3.000 EUR brutto pro Einzelfall, begrenzt auf eine Gesamtjahressumme in Höhe von 6.000 EUR brutto nicht übersteigen dürfen. Das Gleiche gilt bei geringeren Auftragswerten mit besonderer technischer oder rechtlicher Schwierigkeit". Gegen diesen Beschluss geht Wohnungseigentümer K im Wege der Anfechtungsklage vor. Das AG weist diese ab, das LG die Berufung zurück. Die Wohnungseigentümer hätten ihr Ermessen nicht überschritten. Die Ermächtigung des Verwalters zur Entscheidung über Erhaltungsarbeiten und die Einschaltung von Sonderfachleuten stelle keine unzulässige Delegation von Kompetenzen dar.
4 Die Entscheidung
Dies sieht der BGH auch so! Die Wohnungseigentümer hätten eine Beschlusskompetenz gehabt, dem Verwalter durch den Beschluss über seine gesetzlichen Befugnisse hinausgehende Entscheidungskompetenzen für Erhaltungsmaßnahmen und für die Einschaltung von Sonderfachleuten zu übertragen. Die einzige Voraussetzung hierfür sei, dass die Kompetenzverlagerung für den einzelnen Wohnungseigentümer zu einem nur begrenzten und überschaubaren finanziellen Risiko führe. Dem Selbstorganisationsrecht der Wohnungseigentümer sei die Befugnis immanent, den Entscheidungsprozess für Erhaltungsmaßnahmen von "untergeordneter Bedeutung" zu vereinfachen und die Entscheidungskompetenz hierfür durch Beschluss auf den Verwalter zu verlagern. Maßstab für die Beurteilung, ob sich eine Erweiterung der Befugnisse des Verwalters auf Maßnahmen von untergeordneter Bedeutung beziehe, sei das finanzielle Risiko der einzelnen Wohnungseigentümer. Nicht erforderlich sei dagegen, dass sich die Kompetenzübertragung nur auf einen Einzelfall beziehe und die Wohnungseigentümer die maßgeblichen Kriterien für die Entscheidung des Verwalters vorschreiben, so dass dieser nur eine gebundene, nicht freie Entscheidung treffen könne. Eine solche Einschränkung trage dem Interesse der Wohnungseigentümer an einer Vereinfachung des Verwaltungsaufwands für Maßnahmen von untergeordneter Bedeutung nicht ausreichend Rechnung. Der Kompetenzverlagerungsbeschluss entspreche auch ordnungsmäßiger Verwaltung. Denn die Wohnungseigentümer hätten ein berechtigtes Interesse an der Übertragung von Entscheidungskompetenzen in dem geregelten Umfang. Angesichts der großen Zahl von Wohnungen könne dadurch der Verwaltungsaufwand für kleinere Maßnahmen klein gehalten und deren zügige Erledigung sichergestellt werden. Die Kompetenzverlagerung setze nicht voraus, dass in dem Beschluss zugleich festgelegt werde, in welcher konkreten Weise die Wohnungseigentümer die Kosten der von dem Verwalter veranlassten Maßnahmen begleichen.
5 Hinweis
- Im neuen Recht können die Wohnungseigentümer dem Verwalter nach § 27 Abs. 2 WEG Kompetenzen durch Beschluss einräumen. Hier ist nur streitig, ob es auch durch den Verwaltervertrag geht (das ist zweifelhaft; hier sollte man derzeit noch stets auf einen transparenten Beschluss setzen). Im alten Recht war hingegen schon streitig, ob man Kompetenzen überhaupt verlagern kann. Nach verbreiteter Ansicht konnte die Entscheidung über Art und Umfang von Erhaltungsmaßnahmen nicht durch einen Beschluss auf den Verwalter übertragen we...