Leitsatz

Die formularmäßige Erinnerung an die Abgabe einer Steuererklärung führt grundsätzlich auch dann nicht zu einem strafrechtlichen Verwertungsverbot in Bezug auf eine anschließend eingereichte falsche Steuererklärung, wenn für denselben Besteuerungszeitraum bereits ein Steuerstrafverfahren eingeleitet worden ist.

 

Sachverhalt

Der Angeklagte hatte sich an einem "Umsatzsteuerkarussell" beteiligt und beim Finanzamt für 1995 unrichtige Umsatzsteuervoranmeldungen eingereicht. Nach Einleitung des Steuerstrafverfahrens ging ihm ein Formularschreiben zu, mit dem um die umgehende Abgabe der Jahressteuererklärungen 1995 "gebeten" wurde. Das Schreiben enthielt Hinweise auf denkbare Zwangsmittel nach § 333 AO und die Möglichkeit der Schätzung von Besteuerungsgrundlagen. Die Steuerfahndung hatte den durch einen Steuerberater vertretenen Angeklagten korrekt über seine Rechte und Pflichten im Steuerstrafverfahren belehrt. Mit der Revision rügt er unter anderem die Verwertung der – unrichtigen – Umsatzsteuerjahreserklärung 1995, die er nach dem Erinnerungsschreiben abgeben hatte. Der BGH hat das Rechtsmittel jedoch verworfen und das Urteil des LG bestätigt.

 

Entscheidung

Die formularmäßige Erinnerung des Finanzamts zieht kein strafrechtliches Verwertungsverbot für die Verfolgung der falschen Umsatzsteuerjahreserklärung 1995 nach sich. Das Erinnerungsschreiben stellt keine bewusste – und durch § 136a StPO ausdrücklich verbotene – Täuschung des Angeklagten über seine Verpflichtung zur Abgabe der Umsatzsteuerjahreserklärung 1995 dar. Es war grundsätzlich nicht geeignet, den bei Einleitung des Steuerstrafverfahrens ordnungsgemäß[1] belehrten Angeklagten über seine steuerrechtlichen Pflichten zu täuschen. Außerdem war er steuerlich beraten. Das Schreiben stellt allenfalls eine unbeabsichtigte Irreführung dar, die nicht unter § 136a StPO fällt[2].

Es besteht auch kein Verwertungsverbot nach § 136a StPO wegen der Ausübung unzulässigen Zwangs. Ein solches Verwertungsverbot kommt nur dann in Betracht, wenn der Zwang gezielt als Mittel zur Herbeiführung einer Aussage angewandt wurde. Dies ist hier nicht der Fall. Das Finanzamt hat im Wege automatisierter Datenverarbeitung nach Fristablauf eine formularmäßige Erinnerung wegen mehrerer nicht fristgerecht abgegebener Steuererklärungen an den Angeklagten versandt. In dem pauschalen Hinweis auf die Möglichkeit der Verhängung eines Zwangsgelds nach § 333 AO ist zudem noch keine konkrete Zwangsmittelandrohung zu sehen, da sich der Hinweis weder auf eine bestimme Verpflichtung bezieht[3] noch eine bestimmte Höhe festlegt[4].

 

Praxishinweis

Der BGH bestätigt in der Entscheidung außerdem ausdrücklich seine Rechtsprechung zur Frage der Erfüllung von Steuererklärungspflichten während eines laufenden Steuerstrafverfahrens[5]. Hiernach rechtfertigt das Zwangsmittelverbot des § 393 Abs. 1 AO es auch bei einem laufenden Steuerstrafverfahren nicht, die Abgabe von Steuererklärungen für folgende Besteuerungszeiträume zu unterlassen.

 

Link zur Entscheidung

BGH-Beschluss vom 17.3.2005, 5 StR 328/04

[2] Vgl. Boujong, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 5. Aufl., München 2003, § 136a Rn. 23 m.w.N.
[5] Vgl. ausführlich BGH-Beschluss vom 12.1.2005, 5 StR 191/04, INF 2005, S. 169

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