Entscheidungsstichwort (Thema)
Erfolgloser Antrag im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes mit dem Ziel der vorläufigen Wiedererteilung der Fahrerlaubnis für mehrere Führerscheinklassen
Leitsatz (amtlich)
1. Durch einstweilige Anordnung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes kann der Verkehrsbehörde allenfalls dann die vorläufige Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis aufgegeben werden, wenn eine abweichende Entscheidung in der Hauptsache nicht möglich erscheint, denn das Fahrerlaubnisrecht bietet für eine entsprechende Regelung keine materiell-rechtliche Grundlage, wenn Zweifel an der – auch nur bedingten – Fahreignung des Fahrerlaubnisbewerbers bestehen.
2. Führt eine medizinisch-psychologische Untersuchung zu dem Ergebnis, dass trotz Bedenken eine positive Prognose dahingehend, dass der Untersuchte zukünftig nicht mehr unter Alkoholeinfluss ein Kraftfahrzeug führen wird, bei Einhaltung von Auflagen gerade noch möglich erscheint, so handelt es sich um eine im Sinne der Anlage 15 Ziffer 2 b zur FeV (§ 11 Abs. 5 FeV) komplizierte Befundlage, welche einer ausführlichen Begründung bedarf (hier nicht ausreichend).
Normenkette
FeV § 11 Abs. 5; StVG § 2 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 4
Tenor
Prozesskostenhilfe wird nicht bewilligt.
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Antragsteller.
Der Streitwert wird auf 7.500 EUR festgesetzt.
Gründe
Mit Strafbefehl vom 14.7.2005 verurteilte das Amtsgericht A-Stadt den Antragsteller wegen fahrlässiger Trunkenheit im Straßenverkehr (Blutalkoholgehalt: 1,95 Promille) zu einer Geldstrafe, entzog ihm die Fahrerlaubnis und verhängte eine Sperrfrist von acht Monaten, innerhalb deren keine neue Fahrerlaubnis erteilt werden durfte.
Den nach Ablauf der Sperrfrist gestellten Antrag des Antragstellers auf Neuerteilung der Fahrerlaubnis für die Klassen B, BE, C1 und C1E lehnte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 24.1.2007 ab. Zur Begründung gab sie im Wesentlichen an, dass der Empfehlung im vom Antragsteller beigebrachten medizinisch-psychologischen Gutachten (MPU), die Fahrerlaubnis unter Auflagen neu zu erteilen, nicht gefolgt werden könne, weil sowohl die beim Antragsteller erhobenen, stark überhöhten Leberwerte als auch die im Gutachten selbst geäußerten Bedenken, ob der Antragsteller sein Verhalten beim Umgang mit Alkohol in gefestigter Weise zum Positiven verändert habe, einer antragsgemäßen Entscheidung entgegen stünden. Ferner hat die Antragsgegnerin darauf abgestellt, dass der Antragsteller unter den gegebenen Umständen die Vorlage eines neuen Gutachtens abgelehnt und um den Erlass eines rechtsmittelfähigen Bescheides gebeten habe, so dass ihres Erachtens auch die Voraussetzungen des § 11 Abs. 8 FeV erfüllt seien, wonach sie im Falle einer Weigerung des Betroffenen, sich untersuchen zu lassen, bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung schließen dürfe.
Gegen diese Entscheidung hat der Antragsteller Widerspruch eingelegt und begehrt nunmehr im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, der Antragsgegnerin durch eine einstweilige Anordnung gemäß § 123 VwGO aufzugeben, ihm vorläufig – bis zur Entscheidung in der Hauptsache – die Fahrerlaubnis der Klassen B, BE, C1 und C1E zu erteilen.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht durch einstweilige Anordnung den vorläufigen Zustand in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis regeln, wenn dies, zur Vermeidung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus sonstigen Gründen nötig erscheint. Entsprechend dem Zweck einer einstweiligen Anordnung kann das Gericht grundsätzlich nur vorläufige Regelungen treffen bzw. darf dem Antragsteller dadurch nicht bereits in vollem Umfang dasjenige gewähren, was er im Falle seines Obsiegens in der Hauptsache erreichen könnte. Dieses so genannte Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache greift – entgegen der Ansicht des Antragstellers – auch gegenüber entsprechenden Anordnungen, die nur für beschränkte Zeit und/oder unter dem Vorbehalt einer weiteren Entscheidung gelten sollen. Lediglich ausnahmsweise, wenn auf andere Weise kein effektiver Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) gewährleistet werden kann, ist es möglich, durch eine einstweilige Anordnung der Hauptsache vorzugreifen. Dies ist für die Fälle anerkannt, in welchen die andernfalls für den Antragsteller zu erwartenden Nachteile unzumutbar und im Hauptsacheverfahren nicht (mehr) zu beseitigen wären und überdies ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg auch in der Hauptsache spricht.
Vgl. Kopp/Schenke, Kommentar zur VwGO, 14. Aufl. 2005, § 123 Rdnrn. 13 ff. sowie den Beschluss des OVG des Saarlandes vom 7.11.1996, 9 W 29/96, ZfS 1997, 117, zitiert nach juris
Unabhängig davon, ob man den Begriff der Vorwegnahme der Hauptsache, soweit darunter auch die teilweise, zeitweise oder partielle Vorwegnahme gefasst wird, als zu weitgehend ansieht,
So etwa Kopp/Schenke, a.a.O., Rdnr. 14 b mit weiteren Nachweisen
kann jedenfalls die vom Antragsteller beantragte einstweilige Anordnung lediglich dann e...