Entscheidungsstichwort (Thema)
Fahrtenbuchauflage wegen eines Abstandsverstoßes. Grundrecht der informationellen Selbstbestimmung
Leitsatz (amtlich)
Die Feststellung eines Abstandsverstoßes mittels eines Videomessverfahrens, bei dem die Polizei mit zwei Kameras – einer Übersichtskamera und einer bei Vorliegen eines konkreten Anfangsverdachts eingeschalteten Detailkamera – arbeitet, begrenzt unter Berücksichtigung der Rspr. des BVerfG (Beschluss vom 11.08.2009, 2 BvR 941/08) keinen rechtlichen Bedenken.
Tenor
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.
Der Streitwert beträgt 2.400.– EUR.
Gründe
Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der unter der Geschäftsnummer 10 K 454/10 erhobenen Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 23.11.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Kreisrechtsausschusses des Landkreises Neunkirchen vom 06.04.2010, durch die der Antragsteller zur Führung eines Fahrtenbuches bis einschließlich 23.11.2010 verpflichtet wurde, ist zulässig, insbesondere statthaft gemäß § 80 Abs. 5 i. V. m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
Zunächst hat der Antragsgegner die Anordnung der sofortigen Vollziehung in einer den Formerfordernissen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO noch genügenden Weise damit begründet, dass eine Gefährdung der Verkehrssicherheit zu besorgen wäre, wenn der Halter des Fahrzeuges nicht sofort verpflichtet würde, ein Fahrtenbuch zu führen. Insoweit muss nämlich gesehen werden, dass sich im Bereich des Verkehrsrechts in Fällen der vorliegenden Art das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung gerade aus den Gesichtspunkten ergibt, die für den Erlass des Verwaltungsaktes selbst maßgebend sind.
Die vom Gericht in der Sache zu treffenden Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO richtet sich danach, ob das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der angegriffenen behördlichen Verfügung gegenüber dem Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des von ihm eingelegten Rechtsbehelfs schwerer wiegt (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO). Im Rahmen dieser vom Gericht vorzunehmenden Interessenabwägung sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs zu berücksichtigen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs ist in der Regel abzulehnen, wenn der Rechtsbehelf nach dem zum Entscheidungszeitpunkt gegebenen Erkenntnisstand aller Voraussicht nach erfolglos bleiben wird. Bei offensichtlichen Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs überwiegt demgegenüber regelmäßig das Aussetzungsinteresse des Antragstellers.
Nach Maßgabe dieser Grundsätze kann der Antragsteller die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage nicht beanspruchen, da die Rechtmäßigkeit der Anordnung der Fahrtenbuchauflage im Rahmen der im vorliegenden Verfahren nur möglichen summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage keinen ernstlichen Zweifeln unterliegt.
Rechtsgrundlage für die angegriffene Verfügung ist § 31a Abs. 1 StVZO. Danach kann die Verwaltungsbehörde gegenüber einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere auf ihn zugelassene Fahrzeuge die Führung eines Fahrtenbuchs anordnen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war. Dabei müssen Verkehrsvorschriften in nennenswertem Umfang verletzt worden sein. Ein einmaliger, unwesentlicher Verkehrsverstoß, der sich nicht verkehrsgefährdend auswirken kann und auch keinen Schluss auf die Unzuverlässigkeit des Kraftfahrers zulässt, reicht nicht aus.
Vgl. zu diesem rechtlichen Maßstab u. a. BVerwG, Beschluss vom 09.09.1999, 3 B 94/99, ZfS 2000, 368
Im vorliegenden Fall hat der unbekannte Fahrer des auf den Antragsteller zugelassenen Fahrzeugs mit dem amtlichen Kennzeichen …-… am 14.07.2009 auf der Bundesautobahn A 6 bei km 656,6 in Fahrtrichtung Saarbrücken bei einer Geschwindigkeit von 133 km/h den erforderlichen Sicherheitsabstand von 66,5 m zum vorausfahrenden Fahrzeug nicht eingehalten, vielmehr betrug der Abstand lediglich 17,36 m und damit weniger als 3/10 des halben Tachowertes (Toleranzen bereits berücksichtigt). Bei dieser Sachlage besteht kein Zweifel, dass die Unterschreitung des notwendigen Sicherheitsabstandes derart schwerwiegend ist, dass Verkehrsvorschriften im Sinne von § 31a StVZO in nennenswertem Umfange verletzt worden sind.
Die Ermittlung des für den Verkehrsverstoß verantwortlichen Fahrers war auch im Rechtssinne nicht möglich. Eine Unmöglichkeit im Sinne von § 31a Abs. 1 StVZO ist anzunehmen, wenn die Behörde nach den Umständen des Einzelfalls nicht in der Lage war, den Täter zu ermitteln, obwohl sie alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen getroffen hat. Lehnt der Fahrzeughalter erkennbar die Mitwirkung an den Ermittlungen ab, so ist der Behörde regelmäßig nicht zuzumuten, wahllos zeitraubende, kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen zu betreiben. Weitere Ermittlungen können in einer solchen Situation nur ausnahms...