Entscheidungsstichwort (Thema)
Jugendhilfe. Kostenbeitrag. Feststellung der aufschiebenden Wirkung. Umdeutung. öffentliche Abgaben und Kosten. Finanzierungsfunktion. Nachrang der Jugendhilfe. Kick. Gesetzesbegründung
Leitsatz (amtlich)
1. Ist die aufschiebende Wirkung einer Klage nicht entfallen und nimmt die Behörde demgegenüber die sofortige Vollziehbarkeit des angefochtenen Bescheides an, so ist ein Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung in einen Antrag auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung der Klage entsprechend § 80 Abs. 5 VwGO umzudeuten.
2. Die Festsetzung eines öffentlich-rechtlichen Kostenbeitrags neuen Rechts nach §§ 91 ff. SGB VIII ist keine Anforderung öffentlicher Abgaben oder Kosten im Sinne des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO; daran hat auch die Neuregelung der Beitragserhebung durch das Gesetz zur Erweiterung der Kinder- und Jugendhilfe (KICK) nichts geändert.
Normenkette
VwGO § 80; BauGB § 154; SGB VIII § 91 ff.
Tenor
1. Es wird festgestellt, dass die Klage (11 K 815/08) der Antragstellerin gegen den Kostenbeitragsbescheid des Antragsgegners vom 26.07.2007 und den aufgrund mündlicher Verhandlung vom 16.07.2008 ergangenen Widerspruchsbescheid des Kreisrechtsausschusses aufschiebende Wirkung hat.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
1. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist zulässig.
Dabei versteht die Kammer den seinem Wortlaut nach auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO gerichteten Antrag (Antrag zu 1. aus der Antragsschrift vom 11.09.2008) gemäß §§ 122 Abs. 1, 88 VwGO dahin, dass die Antragstellerin die gerichtliche Feststellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen den hier in Rede stehenden Kostenbeitragsbescheid begehrt. Es ist nämlich nicht davon auszugehen, dass die aufschiebende Wirkung der Klage bereits nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO kraft Gesetzes entfällt oder – soweit sie sich auf den mit dem vorliegenden Eilrechtsschutzantrag allein angesprochenen Bescheid vom 26.07.2007 bezieht – nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO durch besondere Sofortvollzugsanordnung entfallen ist und deshalb die aufschiebende Wirkung erst auf Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO angeordnet oder wiederhergestellt werden muss. Da der Antragsgegner demgegenüber die sofortige Vollziehbarkeit des genannten Bescheides annimmt, ist der Antrag in einen Antrag auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung der Klage entsprechend § 80 Abs. 5 VwGO umzudeuten.
vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl. 2005, § 80 Rdnr. 181, m. w. N.
Diese Umdeutung umfasst auch den Antrag auf Aufhebung der Vollziehung des Kostenbeitragsbescheides vom 26.07.2007 (Antrag zu 2. aus der Antragsschrift vom 10.09.2008). Die Kammer geht davon aus, dass der Antragsgegner eingeleitete Maßnahmen zur Vollstreckung des Kostenbeitragsbescheides vom 26.07.2007, soweit erforderlich, aufheben oder rückgängig machen wird. Eine gesonderte Entscheidung nach § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO erscheint daher vorliegend entbehrlich.
vgl. Kopp/Schenke, a. a. O., § 80 Rdnrn. 176 ff., 181, m. w. N.
2. Der so verstandene Antrag ist auch begründet. Die Klage der Antragstellerin (11 K 815/08) hat aufschiebende Wirkung, soweit sie sich auf den im vorliegenden Eilrechtsschutzverfahren allein in Rede stehenden Kostenbeitragsbescheid des Antragsgegners vom 26.07.2007 (und den hierzu ergangenen Widerspruchsbescheid) bezieht.
Nach § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO hat eine Anfechtungsklage grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Eine besondere Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit im Sinne des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ist nach Aktenlage in Bezug auf den im vorliegenden Eilrechtsschutzverfahren allein in Rede stehenden Kostenbeitragsbescheid vom 26.07.2007 nicht erfolgt (im Unterschied zu den weiteren Kostenbeitragsbescheiden vom 24.10.2007 und 29.04.2008), und zwar auch nicht im diesbezüglichen Widerspruchsbescheid.
Die aufschiebende Wirkung ist auch nicht ausnahmsweise kraft Gesetzes ausgeschlossen. Insbesondere liegt kein Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO vor. Die aufschiebende Wirkung entfällt nach dieser Vorschrift “bei der Anforderung öffentlicher Abgaben und Kosten”. Nach wohl überwiegender Rechtsprechung ist auch die Festsetzung eines öffentlich-rechtlichen Kostenbeitrags neuen Rechts nach §§ 91 ff. SGB VIII indes keine Anforderung öffentlicher Abgaben oder Kosten in diesem Sinne.
Die Kammer folgt insoweit den überzeugenden Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen,
Beschluss vom 17.12.2007 – 12 B 1214/07 –, NWVBl 2008, 281
des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs
Beschluss vom 05.09.2006 – 10 TG 1915/06 –, NJW 2007, 241
und mehrerer erstinstanzlicher Verwaltungsgerichte
vgl. VG Hannover, Beschluss vom 13.11.2007 – 3 B 4331/07 –, JAmt 2007, 600; VG Aachen, Beschluss vom 12.07.2007 – 2 L 193/07 –, EuG 2008, 349; VG Oldenburg, Beschluss vom 07.02.2007 – 13 B 198/07 –, juris; VG Halle (Saale), Beschluss vom 27.07.2006 – 4 B 213/06 ...