Entscheidungsstichwort (Thema)
Einschreitensanspruch des Nachbarn gegen einen Edelstahlkamin
Leitsatz (amtlich)
1. Ein 8 m hoher Edestahlkamin mit einem Außendurchmesser von 22,5 cm stellt sich abstandsflächenrechtlich als ein “vor die Außenwand vortretendes untergeordnetes Bauteil” i.S.v. § 7 Abs. 6 Nr. 1 LBO SL dar.
2. Die von einem Schornstein ausgehenden Emissionen werden von anderen Vorschriften, nicht vom Abstandsflächenrecht erfasst.
3. Die Immissionen eines vom Bezirksschornsteinfegermeister freigegebenen Kamins verletzen regelmäßig nicht das Gebot der Rücksichtnahme.
4. Naturgegebene Umstände wie Höhenlagen und Windrichtungen begründen regelmäßig keine Abwehransprüche gegen die Immissionen abgenommener Kamine.
Normenkette
BauNVO § 15 Abs. 1 S. 2; BauGB § 34 Abs. 1; BImSchG § 5 Abs. 1 Nr. 1; FeuVO § 14 Abs. 3; LBO § 6 Abs. 6, § 7 Abs. 6 Nr. 1, Abs. 7, § 41 Abs. 3, 6; LBO 2004 § 57 Abs. 2; LBO § 60 Abs. 2, § 61 Abs. 1 Nr. 2c; HBO § 6 Abs. 6, § 40; BAUO NW § 6 Abs. 7
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen tragen die Kläger.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe der sich aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenden Kostenschuld abwenden, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Der Streitwert wird auf 7.500,00 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Kläger, Mutter und Sohn, begehren ein Einschreiten der Beklagten als Bauaufsichtsbehörde gegen ihre beigeladene Nachbarin, die am Giebel ihres Wohnhauses in der Abstandsfläche einen 8 m hohen Edelstahlkamin mit einem Durchmesser von 22,5 cm angebracht hat, der einem Kaminofen in ihrem Haus dient.
Die Kläger sind Eigentümer des an das Grundstück der Beigeladenen angrenzende, derzeit unbebauten Grundstücks S 26, A…-Stadt, und bewohnen das in ihrem Eigentum stehende Grundstück auf der gegenüberliegenden Straßenseite, S 17.
Die Beigeladene ist Eigentümerin des nordöstlich gelegenen Grundstücks, S 24, auf dem mit einem Abstand der westlich Außenwand von 3 m zu den Flurstücken ein zweigeschossiges Wohnhaus steht. An dieser Außenwand errichtete die Beigeladene im Februar 2007 den in Streit stehenden Edelstahlkamin, der als Abzug für einen Kaminofen mit einer Wärmeleistung von 4 kW im Erdgeschoss dient. Der handelsübliche Edelstahlkamin ist 8 m hoch, hat einen (Außen-) Durchmesser von 22,5 cm und ist mit Abstandshaltern an der Wand befestigt. Der Abstand zur Wand entspricht mit ca. 20 – 25 cm dem Dachüberstand, an dem der in Höhe des Erdgeschossfußbodens beginnende Kamin bis auf die Höhe des Dachfirstes vorbeiführt.
Mit Schreiben vom 10.02.2007 verlangten die Kläger von der Beklagten die Anordnung der Beseitigung des Schornsteins, der den Mindestgrenzabstand nicht einhalte und Rauch- und Schmutzbelästigungen zur Folge habe, die den Wert ihres Grundstücks minderten. Der Kamin sehe wie ein Fabrikschornstein aus und passe nicht in das Gesamtbild des Wohngebietes.
Im Rahmen der Anhörung legte die Beigeladene der Beklagten die Bescheinigung des Bezirksschornsteinfegermeisters über die sichere Benutzbarkeit der Feuerungsanlage vom 12.02.2007 vor. Mit dieser wird die Überprüfung des Edelstahlschornsteins bescheinigt und dem Betrieb der Feuerstätte zugestimmt.
Am 29.03. 2007 wandten sich die Kläger erneut an die Beklagte und begehrten ein Einschreiten gegen den Kamin. Die Beklagte erwiderte darauf, dass sie in Ausübung des ihr zustehenden Ermessens eine teilweise oder vollständige Beseitigung des Schornsteins nicht anordnen werde. Die Baumaßnahme sei nach § 61 Abs. 1 LBO verfahrensfrei. Wegen des nicht eingehaltenen Mindestabstandes zur Grundstücksgrenze werde nicht eingeschritten. Gegen Edelstahlkamine werde nur vorgegangen, wenn das zur Abwehr von Gefahren für Leben und Gesundheit oder von unzumutbaren Belästigungen erforderlich wäre. Davon sei nicht auszugehen.
Mit Schriftsatz vom 05.07.2007 bestellten sich die damaligen Bevollmächtigten der Kläger und rügten die Unzulässigkeit des Schornsteins in der Abstandsfläche und die Verletzung des Gebotes der Rücksichtnahme wegen unzumutbarer Geruchsbelästigungen beim Betrieb der Abgasanlage, die die Nutzung beider Grundstücke unangemessen beeinträchtige. Daraus ergebe sich ein Anspruch auf Einschreiten. So habe das OVG Münster im Urteil vom 13.10.1999 – 7 A 998/99 –, NVwZ-RR 2000, 205, entschieden, dass allein die Nichteinhaltung der Abstandsfläche zu einem nachbarlichen Beseitigungsanspruch führe. Das VG des Saarlandes habe im Urteil vom 12.09.2006 – 5 K 98/05 – ausgeführt, dass sich das der Bauaufsichtsbehörde zustehende Ermessen bei einer Verletzung nachbarschützender Bestimmungen zu einer Einschreitenspflicht verdichte.
Die Beklagte erwiderte unter dem 19.07.2009, sie halte an ihrer rechtlichen Beurteilung im Schreiben vom 29.03.2007 fest: Das Abgasrohr sei ein “untergeordnetes Bauteil” im Verständnis vo...