Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückzahlung von Kostenbeteiligung für pflegebedürftige junge Volljährige. Grundsätze wirtschaftlicher Lebensführung
Leitsatz (amtlich)
1. Wenn bei bereits bestehender desolater Finanzlage und erheblichen von der Klägerin nicht mehr zu leistenden Rückzahlungsverbindlichkeiten weitere Schuldverpflichtungen (hier: Erwerb mehrerer voll finanzierter Mietshäuser) eingegangen werden, um die zu erwarteten Gewinne zur Rückführung ihrer Gesamtverbindlichkeiten einzusetzen, entspricht eine solche Verhaltensweise nicht den Grundsätzen einer wirtschaftlichen Lebensführung.
2. Bei der Anwendung des Begriffs der besonderen Härte in § 92 Abs. 5 Satz 1 SGB 8 kommt es maßgeblich darauf an, ob die Anwendung der Regelvorschrift zu einem den Leitvorstellungen der §§ 91 ff. SGB 8 nicht entsprechenden Ergebnis führen würde.
3. Der Sozialgesetzbuchgeber geht – wie sich aus § 93 Abs. 3 Satz 4 SGB 8 mit Gewicht ergibt – als “Leitvorstellung” davon aus, dass Belastungen aus der Finanzierung von Immobilien nur dann anzuerkennen sind, soweit sie nach Grund und Höhe angemessen sind und die Grundsätze einer wirtschaftlichen Lebensführung nicht verletzen.
Normenkette
VwGO § 117 Abs. 5; SGB VIII §§ 33, 41, 91 Abs. 1 Nrn. 8, 5 lit. a, § 92 Abs. 1, 5 S. 1, § 93 Abs. 2, 3 S. 4
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe der sich aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenden Kostenschuld abwenden, falls nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
Die Klägerin adoptierte im Jahre 1993 (Beschluss des Amtsgerichts) ihre Enkeltochter. Dieser wurde seit dem 03.05.2005 Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege (in einer Pflegefamilie) gewährt (§ 33 SGB VIII). Seit dem 16.02.2008 erhält sie Hilfe für junge Volljährige (Nachbetreuung, § 41 SGB VIII; monatliche Kosten nach Aktenlage zuletzt 1.893,50 EUR). Die wiederverheiratete Klägerin ist als Rechtspflegerin tätig (Besoldungsgruppe A 11). Sie ist Eigentümerin eines selbst genutzten Wohnhauses sowie mehrerer Mietshäuser; den pfändbaren Teil ihrer Bezüge hat sie 1987 an ihre Hausbank abgetreten.
Der Beklagte zog die Klägerin mit Bescheid vom 04.08.2005 zu den Kosten der Vollzeitpflege heran (331,20 EUR monatlich ab dem 01.05.2005). Nach einer Änderung der gesetzlichen Vorschriften setzte der Beklagte den Kostenbeitrag mit Bescheid vom 03.02.2006 neu fest (01.04. bis 30.09.2006: 403,10 EUR monatlich; ab 01.10.2006: laufend monatlich 475,00 EUR). Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein. Mit Anhörungsschreiben des Beklagten vom 21.02.2006 wurde der Klägerin mitgeteilt, ab dem 01.04.2006 werde ein Kostenbeitrag in Höhe von 380,00 EUR laufend monatlich gefordert. Der Kreisrechtsausschuss wies mit aufgrund mündlicher Verhandlung vom 07.03.2007 ergangenem Widerspruchsbescheid den Widerspruch (gegen den “Bescheid” vom 21.02.2006) zurück. Daraufhin beantragte die Klägerin beim Verwaltungsgericht des Saarlandes Eilrechtsschutz und erhob Klage; beide Verfahren wurden nach entsprechenden Hauptsacheerledigungserklärungen eingestellt (Beschlüsse der Kammer vom 27.08.2007 – 11 L 587/07 – und vom 25.09.2007 – 11 K 582/07 –). Mit ohne mündliche Verhandlung am 06.12.2007 ergangenem Widerspruchsbescheid wurde auch das Widerspruchsverfahren eingestellt.
Der Beklagte setzte den Kostenbeitrag der Klägerin (nach entsprechender Neuberechnung) daraufhin mit Bescheid vom 26.07.2007 ab dem 01.04.2006 auf 380,00 EUR fest (zugleich ist ausgeführt, für den Zeitraum vom 01.04.2006 bis zum 31.07.2007 ergebe sich eine Forderung von 3.422,00 EUR). Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin mit Eingang beim Beklagten vom 31.07.2007 Widerspruch ein (ein von der Klägerin außerdem anhängig gemachtes Eilrechtsschutzverfahren wurde nach entsprechenden Hauptsacheerledigungserklärungen mit Beschluss der Kammer vom 28.11.2007 – 11 L 1182/07 – eingestellt).
Mit nach entsprechender Anhörung ergangenem Bescheid vom 24.10.2007 setzte der Beklagte unter Sofortvollzugsanordnung den Kostenbeitrag ab dem 01.04.2007 (die Klägerin war zwischenzeitlich befördert worden) auf 525,00 EUR monatlich fest (zugleich ist ausgeführt, für den Zeitraum vom 01.04.2007 bis zum 31.10.2007 ergebe sich eine Forderung von 2.789,00 EUR). Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin mit Eingang beim Beklagten vom 16.11.2007 Widerspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung; ein von der Klägerin außerdem anhängig gemachtes Eilrechtsschutzverfahren wurde mit Beschluss der Kammer vom 03.01.2008 – 11 L 1988/07 – eingestellt.
Nach entsprechender Anhörung setzte der Beklagte mit Bescheid vom 29.04.2008 den Kostenbeitrag unter Sofortvollzugsanordnung ab dem 01.03.2008 (die Klägerin erhält aufgrund der zwischenzeitlichen Volljährigkeit von … seit März 2008 kein Kindergeld und keinen Ortszuschlag mehr) auf 380,...