Entscheidungsstichwort (Thema)
Jugendhilferecht. Kostenbeitrag für Jugendhilfeleistungen. Unterrichtung. individueller Abzug. Eigenheim. Schuldverpflichtungen. Einkommensbegriff. Pauschalabzug. angemessener Wohnwert. besondere Härte
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Kostenbeitrag für Jugendhilfeleistungen kann regelmäßig erst ab dem Zeitpunkt erhoben werden, ab welchem der Pflichtige förmlich über seine Leistungspflicht unterrichtet worden ist.
2. Nach der Reform des Jugendhilferechts gilt insoweit ein im Verhältnis zum Sozialhilferecht eigenständiger Einkommensbegriff.
3. Der Abzug der Belastungen vom (bereinigten) Einkommen erfolgt grundsätzlich durch dessen pauschale Kürzung um 25 % (§ 93 Abs. 3 Satz 3 SGB VIII).
4. Zu den nach ihrer konkreten Höhe abzugsfähigen Belastungen zählen insbesondere auch Schuldverpflichtungen (§ 93 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 SGB VIII).
5. Zum Erwerb eines Eigenheims eingegangene Schulden können nur insoweit als (konkret) abzugsfähige Belastungen angesehen werden, als der Wohnvorteil beim Wohnen in einem Eigenheim berücksichtigt wird; vor der Anrechnung einer entsprechenden Belastung ist demzufolge ein angemessener Wohnwert abzuziehen.
6. Für die Annahme einer besonderen Härte bedarf es entsprechender Anhaltspunkte (§ 92 Abs. 5 SGB VIII).
Normenkette
SGB VIII §§ 35a, 41, 91 Abs. 1, §§ 92-93, 94 Abs. 1; EStG § 9
Tenor
1. Der Kostenbeitragsbescheid der Beklagten vom 03.05.2006 und der aufgrund mündlicher Verhandlung vom 08.12.2006 ergangene Widerspruchsbescheid werden insoweit aufgehoben, als darin gegenüber der Klägerin für die Monate Februar und März 2006 ein Kostenbeitrag von mehr als 154,00 EUR festgesetzt worden ist.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu 9/10 und die Beklagte zu 1/10.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die jeweilige Kostengläubigerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe der sich aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenden Kostenschuld abwenden, falls nicht die jeweilige Kostenschuldnerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Die Berufung gegen den die Klage abweisenden Teil des Urteils wird zugelassen.
Tatbestand
Der am … 1987 geborene Sohn der alleinerziehenden Klägerin, der zwischenzeitlich bei seinem Vater wohnte, erhält von der Beklagten seit dem 16.01.2006 Hilfe für junge Volljährige in Form des Betreuten Wohnens in einer Einrichtung (§§ 35 a, 41 SGB VIII). Die Maßnahme wurde zuletzt bis vorerst 31.10.2008 verlängert. Die Klägerin ist Beamtin und lebt mit ihrem weiteren Sohn, der ein Studium an der Universität des Saarlandes absolviert, in einem 1998 erworbenen Eigenheim in A-Stadt; die Wohnfläche des 1997/98 erbauten Einfamilienreihenhauses wird mit ca. 100 m(2), der Verkehrswert mit ca. 130.000.- EUR und die monatliche Finanzierungsbelastung mit 558,94 EUR angegeben.
Die Beklagte unterrichtete die Klägerin mit Bescheid vom 27.03.2006, zugestellt am 29.03.2006, über die Hilfeleistung und wies sie auf eine etwaige Kostenbeitragspflicht und auf einen in jedem Falle anfallenden vorläufigen Mindestkostenbeitrag in Höhe des entsprechenden Kindergeldes hin. Dementsprechend überwies die Klägerin das Kindergeld in Höhe von monatlich 154.- EUR ab April 2006 an die Beklagte.
Mit Kostenbeitragsbescheid vom 03.05.2006 setzte die Beklagte einen Kostenbeitrag in Höhe von monatlich 250.- EUR ab 01.02.2006 fest; dem Bescheid war ein Berechnungsblatt beigefügt. Gegen diesen Kostenbeitragsbescheid legte die Klägerin am 17.05.2006 Widerspruch ein, den sie näher begründete.
Die Beklagte teilte der Klägerin mit Schreiben vom 26.05.2006 u. a. mit, eine Neuberechnung unter Berücksichtigung des Pflegeversicherungsbeitrags habe im Ergebnis zu keiner Änderung geführt.
Der Kreisrechtsausschuss wies den Widerspruch mit aufgrund mündlicher Verhandlung vom 08.12.2006 ergangenem Widerspruchsbescheid zurück. Der Widerspruchsbescheid wurde den Bevollmächtigten der Klägerin am 14.02.2007 zugestellt.
Die Klägerin hat am 12.03.2007 Klage erhoben. Sie trägt im Wesentlichen vor, die angefochtenen Bescheide seien ermessensfehlerhaft und unverhältnismäßig. Die Beklagte habe nicht berücksichtigt, dass sie, die Klägerin, ihre monatlichen Belastungen gar nicht reduzieren könne. Für ihr Wohnhaus habe sie sich auch nicht leichtfertig verschuldet. Das kleine Reihenhaus habe sie nach ihrer Scheidung für sich und ihre kleinen Kinder und zugleich als eigene Altersvorsorge erworben. Dabei habe sie als Beamtin in Kauf genommen, dass der Wohnbedarf teuerer gewesen sei, als sie es sich es eigentlich habe leisten können; es sei auf jeglichen anderen Luxus verzichtet worden. Ein Verkauf der Immobilie sei aufgrund der derzeitigen Marktsituation und anfallender Vorfälligkeitsentschädigungen nicht möglich.
Die Klägerin beantragt,
den Kostenbeitragsbescheid der Beklagten vom 03.05.2006 in der Form des Widerspruchsbescheides vom 09.02.2007 aufzuheben...