Entscheidungsstichwort (Thema)
Asylrecht. Rücknahme von vier Aufenthaltstiteln nach 25 Jahren wegen Doppelheirat
Leitsatz (amtlich)
1. Eine zum Zwecke der Herstellung der familiären Lebensgemeinschaft mit einer deutschen Staatsangehörigen erteilte Aufenthaltserlaubnis für einen abgelehnten Asylbewerber kann auch nach 25 Jahren zurückgenommen werden, wenn sich herausstellt, dass der Ausländer entgegen seinen damaligen Erklärungen bereits in seinem Heimatland rechtswirksam verheiratet war und nunmehr den Nachzug seiner ausländischen Ehefrau begehrt.
2. Eine nichtige, wenn auch bis zur gerichtlichen Feststellung der Nichtigkeit wirksame Doppelehe begründet für den ausländischen Ehegatten kein Aufenthaltsrecht.
3. Die Grundsätze des Bundesverfassungs- und Bundesverwaltungsgerichts zu den zeitlichen Grenzen der Rücknahme einer Einbürgerung sind auf die Rücknahme von Aufenthaltstiteln nicht übertragbar.
4. Auch sonstige allgemeine Rechtsgrundsätze, insbesondere das Rechtsstaatsprinzip, stehen der Wiederherstellung einer gesetzesmäßigen Rechtslage als Maßnahme der Missbrauchsbekämpfung auch nach längerer Zeit nicht entgegen.
Normenkette
GG Art. 6; BGB § 1306; VwVfG § 48; AufenthG §§ 7-9, 27, 28 Abs. 1 Nr. 1, § 30 Abs. 1 Nr. 1, § 50 Abs. 3, § 51 Abs. 1, § 101; AuslG 1965 § 2 Abs. 2, § 8 Abs. 1, § 10; AuslG § 44 Abs. 1; EheG §§ 5, 20 Abs. 1; VSRG Art. 3 § 2 Abs. 1 Nr. 2
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe der sich aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenden Kostenschuld abwenden, falls nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Der Streitwert wird auf 5.000 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Der 51 Jahre alte Kläger wendet sich gegen die Rücknahme der ihm seit dem 04.10.1982 seinerzeit im Hinblick auf die Eheschließung mit einer deutschen Staatsangehörigen erteilten Aufenthaltstitel (befristete und unbefristete Aufenthaltserlaubnisse sowie Aufenthaltsberechtigung), die mit der Begründung zurückgenommen wurden, er habe bei der Eheschließung in Deutschland verschwiegen, dass er bereits in Indien verheiratet gewesen sei und habe die Aufenthaltstitel deshalb arglistig erschlichen.
Er ist indischer Staatsangehöriger hinduistischer Religionszugehörigkeit. Nach den im September 2006 in Punjab, Indien, durchgeführten Ermittlungen eines von der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland beauftragten Detektivbüros heiratete er am 28. oder 29.05.1980 in Indien die indische Staatsangehörige D… auf traditionelle Art durch den Austausch von Girlanden in einem Tempel. Aus dieser Verbindung sind die gemeinsamen Söhne S…, geb. am 07.03.1981, und M…, geb. am 28.10.1985, hervorgegangen.
Anfang August 1980 reiste der Kläger im Besitze eines gültigen indischen Reisepasses über den Flughafen Berlin-Schönefeld und den Grenzübergang Berlin-Friedrichstraße ins Bundesgebiet ein und beantragte in Berlin Asyl. In seiner Meldung als Asylbewerber vom 18.08.1980 gab er ebenso wie bei seiner Niederschrift zum Asylbegehren an, ledig zu sein. Im März 1981 gelangte er ins Saarland.
Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge lehnte den Antrag mit Bescheid vom 02.07.1981 ab. Die u.a. auf die Anerkennung als Asylberechtigter gerichtete Klage wurde vom VG des Saarlandes mit Urteil vom 11.06.1982 – 10 K 551/81 – als offensichtlich unbegründet abgewiesen.
Am 01.10.1982 heiratete der Kläger beim Standesamt in Homburg (Saar) die deutsche Staatsangehörige K…. Auf seinen Antrag hin wurde ihm vom Landrat in Homburg (Saar) am 04.10.1982 eine zunächst bis zum 30.09.1983 befristete Aufenthaltserlaubnis erteilt, die am 05.10.1983 vom Landrat in N… bis zum 30.09.1985 verlängert wurde. Am 02.10.1985 erhielt der Kläger vom Landrat in O… eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis und am 05.10.1987 eine Aufenthaltsberechtigung. Diese Ehe wurde am 13.01.1989 geschieden.
Im September 1989 beantragte der Kläger beim Oberbürgermeister des Landeshauptstadt A…-Stadt die Einbürgerung. Dieser antwortete Ende September 1989, dass der Kläger mit dem Familienstand “getrennt lebend” geführt werde und für die Einbürgerung ein rechtmäßiger Aufenthalt von 10 Jahren erforderlich sei; diese Voraussetzung erfülle der Kläger erst im Oktober 1992.
Ausweislich eines Registerauszugs aus dem Hindu-Heiratsbuch vom 20.03.2006 schloss der Kläger am 13.02.1990 in Punjab, India, die Ehe mit Frau D….
Am 10.08.2006 beantragte Frau D… bei der Deutschen Botschaft in Neu Delhi die Erteilung eines Visums zum Ehegattennachzug. Die Deutsche Botschaft veranlasste eine Überprüfung der Personenstandsurkunden, die ergab, dass die Geburtsurkunde und die Heiratsurkunde formell echt und inhaltlich richtig waren. In diesem Zusammenhang habe sich herausgestellt, dass die für die Gültigkeit einer Eheschließung nach...