Entscheidungsstichwort (Thema)

Kostenerstattungsstreit. Saarland. Zuständigkeit des Sozialhilfeträgers für Frühfördermaßnahmen

 

Leitsatz (amtlich)

Maßnahmen der Frühförderung werden unabhängig von der Art der Behinderung vorrangig von den Trägern der Sozialhilfe erbracht.

 

Normenkette

SGB X § 102; SGB VIII § 10 Abs. 2

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der sich aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenden Kostenpflicht abwenden, sofern nicht der Beklagte zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt, den Beklagten zu verpflichten, den mit Schreiben vom 23.07.2001 geltend gemachten Erstattungsanspruch anzuerkennen. Dem Erstattungsanspruch liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Kläger übernahm als Sozialhilfeträger mit Bescheid vom 02.06.2000 ab dem 18.02.2000 die Kosten für die Unterbringung des Kindes Julius B., geboren am …1996, im integrativen Montessori-Kindergarten der Lebenshilfe in St.I.. Die Bewilligung der Hilfe erfolgte aufgrund der §§ 39 Abs. 2, 40 Abs. 1 Nr. 2 a, 100 Abs. 1 Nr. 1 BSHG (drohende geistige und körperliche Behinderung).

Mit Schreiben vom 23.07.2001, welches bei dem Beklagten am 26.07.2001 einging, machte der Kläger einen Erstattungsanspruch gegen den Beklagten als Jugendhilfeträger aus §§ 102 f. SGB X geltend. Er richtete den Anspruch auf die Unterbringungskosten, die ihm ab Eingang des Erstattungsanspruches beim Beklagten entstehen. In seinem Schreiben begründete der Kläger sein Begehren damit, dass sich die medizinische Beurteilung des Kindes zwischenzeitlich verändert habe. Grundlage der Kostenzusage des Klägers sei die amtsärztliche Feststellung des Gesundheitsamtes des Saarpfalz-Kreises vom 15.05.2000 gewesen, wonach das Kind sowohl von einer körperlichen als auch geistigen Behinderung bedroht sei. Anlässlich eines Entwicklungsberichtes sei eine Nachuntersuchung durch den ärztlichen Dienst des Klägers veranlasst worden, welche mit Stellungnahme vom 19.07.2001 zu dem Ergebnis gekommen sei, dass das Kind weder durch eine geistige noch durch eine körperliche Behinderung i.S.d. § 39 Abs. 1 BSHG i.V.m. § 2 Abs. 1 S. 1 SGB IX in seiner Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, wesentlich eingeschränkt sei. Daher sei die erforderliche Hilfe in der teilstationären Einrichtung überwiegend durch die bestehende Störung des Sozialverhaltens sowie aufgrund der Aufmerksamkeits- und Konzentrationsschwäche bedingt. Somit stehe bei dem Jungen eindeutig eine seelische Behinderung im Vordergrund bzw. sei er von einer solchen Behinderung bedroht, so dass die Hilfe im Rahmen des § 35 a Abs. 1 Nr. 2 SGB XIII sicherzustellen sei.

Der Beklagte lehnte den Erstattungsantrag mit Schreiben vom 13.05.2002 ab. Er berief sich auf eine erneute Stellungnahme des Gesundheitsamtes vom 24.01.2002, wonach der Hilfeempfänger nach wie vor von geistiger Behinderung bedroht sei. Da bei dem Kind keine (drohende) seelische Behinderung vorliege, lägen die Voraussetzungen für eine Hilfegewährung nicht vor.

Mit Schreiben vom 05.11.2002 machte der Kläger den Erstattungsanspruch erneut unter Berufung auf eine weitere Stellungnahme seines ärztlichen Dienstes vom 25.09.2002 geltend. Dort komme die zuständige Ärztin wiederum zu dem Ergebnis, dass der Hilfeempfänger weder durch eine geistige noch durch eine körperliche Behinderung in seiner Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, wesentlich eingeschränkt sei. Die bisher gewährte wie auch die weiterhin erforderliche Hilfe sei nach wie vor überwiegend durch die bestehende Störung des Sozialverhaltens sowie aufgrund der Aufmerksamkeits- und Konzentrationsschwäche bedingt.

Mit Schreiben vom 19.02.2003 wies der Beklagte den Erstattungsantrag mit der Begründung, die Feststellung einer drohenden seelischen Behinderung, die alleine eine Zuständigkeit der Jugendhilfe begründen könnte, sei auch der ärztlichen Stellungnahme vom 25.09.2002 nicht zu entnehmen, wiederum zurück.

Am 21.05.2003 hat der Kläger sodann die vorliegende Klage erhoben. Zur Begründung vertieft er sein bisheriges Vorbringen. Zur Klärung der streitigen Frage nach der Art der Behinderung des Hilfeempfängers beantragt er die Einholung eines kinderpsychiatrischen Gutachtens.

Der Kläger beantragt schriftsätzlich,

den Beklagten zu verpflichten, den mit Schreiben vom 23.07.2001 erhobenen Erstattungsanspruch dem Grunde nach anzuerkennen.

Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Klage abzuweisen.

Er beruft sich auf die Stellungnahmen des Gesundheitsamtes und weist darauf hin, dass die Hilfegewährung an den Kläger wegen drohender körperlicher und geistiger Behinderung erfolgt sei. Dem Bericht des ärztlichen Dienstes des Klägers vom 19.07.2001 sei nur zu entnehmen, dass eine manifestierte geistige oder wesentliche körperliche Behinderung ausgeschlossen werde. Nicht ausgeschlossen werde in diesem Bericht jedoch eine Bedrohung des Kindes von körperl...

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