Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufenthaltserlaubnis. Abschiebungsverbot. Möglichkeit der Ausreise nach Serbien, Montenegro, Kosovo. Verstoß gegen Mitwirkungspflichten

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Ausschlussgründe nach § 25 Abs. 3 Satz 2 Alt. 1 u. Alt. 2 AufenthG müssen sich auf die Ausreise in einen “anderen Staat” beziehen, in dem dem Ausländer nicht die Gefahren drohen, die zur Feststellung des Abschiebungsverbotes geführt haben.

2. Hat ein vor der Unabhängigkeit des Kosovo und von Montenegro ergangener Bescheid des Bundesamtes ein Abschiebungsverbot hinsichtlich “Serbien und Montenegro” festgestellt, behält diese Feststellung auch für die aus dem damaligen Staatsgebiet Serbien und Montenegro hervorgegangenen jetzigen Einzelstaaten Serbien, Montenegro und Kosovo bis zu einer Entscheidung des Bundesamtes nach § 73 Abs. 3 AsylVfG Gültigkeit.

 

Tenor

Unter Abweisung der Klage im Übrigen wird der Beklagte verpflichtet, der Klägerin eine Aufenthaltserlaubnis rückwirkend ab dem 18.11.2005 zu erteilen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe der sich aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenden Kostenschuld abwenden, sofern nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vom Beklagten.

Die Klägerin, zur Person nicht ausgewiesen, ist eigenen Angaben zufolge 1967 in Xrella geboren und am 04.07.1999 mit ihren drei in Istog geborenen Kindern aus der Bundesrepublik Jugoslawien (Kosovo) kommend nach Deutschland eingereist. Zur Begründung ihres am 09.07.1999 beim damaligen Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (Bundesamt) gestellten Asylantrages trug sie vor, als albanische Volkszugehörige von den Serben vertrieben worden zu sein; ihren Personalausweis habe sie nicht mitnehmen können; Vater ihrer Kinder sei der in M… wohnende Enver Podujeva, mit dem sie nach islamischem Ritus, nicht aber standesamtlich, verheiratet sei. Mit Bescheid vom 08.11.1999 lehnte das Bundesamt den Asylantrag ab und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG sowie Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorliegen. Die hiergegen erhobene Klage, mit der sich die Klägerin auf die Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Roma (Ägypter) berief, wurde durch Urteil des VG des Saarlandes vom 17.04.2000, 10 K 636/99.A, rechtskräftig abgewiesen.

Die seitdem geduldete Klägerin stellte unter dem 03.06.2003 einen auf die Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG beschränkten Folgeantrag, der durch Bescheid des Bundesamtes vom 07.11.2003 zunächst abgelehnt wurde. Nachdem die Klägerin in dem darauffolgenden Klageverfahren 10 K 459/03.A mehrere ärztliche Atteste vorlegte, stellte das Bundesamt mit Bescheid vom 07.11.2005 unter Aufhebung des Bescheides vom 07.11.2003 und entsprechender Abänderung des Bescheides vom 08.11.1999 fest, dass ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Serbien und Montenegro vorliegt. Zur Begründung heißt es, dass die Klägerin an einer primären Hyperlipidämie mit Chylomikronämiesyndrom leide und bei Nichteinnahme der verordneten Medikamente eine lebensbedrohliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes eintreten werde. Die derzeitige Versorgungslage im Kosovo stelle sich nicht so dar, dass die Klägerin jederzeit die erforderlichen Medikamente erhalten und finanzieren könne. Eine bei Nichteinnahme der Medikamente mit Sicherheit auftretende akute Pankreatitis sei im Kosovo nicht behandelbar und bringe die Klägerin in akute Lebensgefahr.

Mit Schriftsatz ihres damaligen Verfahrensbevollmächtigten vom 17.11.2005 beantragte die Klägerin gegenüber dem Bundesamt unter Bezugnahme auf dessen Bescheid vom 07.11.2005 die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Dieser Antrag ging am 18.11.2005 beim damaligen Landesamt für Ausländer- und Flüchtlingsangelegenheiten, dem Rechtsvorgänger des Beklagten, ein. Am 16.12.2005 wiederholte die Klägerin auf dem dafür vorgesehenen Formular den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis und wies mit Schreiben ihrer damaligen Verfahrensbevollmächtigten vom 23.01.2006 darauf hin, dass sie keine Identitätspapiere aus dem Heimatland habe. Sie sei nirgends eingetragen und es existiere auch keine Geburtsurkunde. Ihre Eltern hätten ihre Geburt offensichtlich bei keiner Behörde angezeigt.

Mit Schreiben vom 31.01.2006 teilte das Landesamt für Ausländer- und Flüchtlingsangelegenheiten den Verfahrensbevollmächtigten der Klägerin mit, dass dieser bereits mit Schreiben vom 12.12.2005 die Vorlage gültiger Reisepässe aufgegeben worden sei. Auch seien ihr Bescheinigungen zur Vorlage bei der jugoslawischen Botschaft ausgehändigt worden. Ob eine Vorsprache bei der Botschaft erfolgt sei, sei nicht bekannt. Sofern die Klägerin in ihrem Heimatland nicht registriert sei, erfahre sie...

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