Leitsatz (amtlich)
1. Es ist im Grundsatz von der Wohngebietsverträglichkeit einer Kindertagesstätte auszugehen.
2. Bei der Prüfung, ob das aus § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB abgeleitete Rücksichtnahmegebot verletzt ist, sind auch gesetzliche Vorgaben zur Errichtung von Kindergärten und Kindertagesstätten, die einen Anspruch auf den Besuch einer Tageseinrichtung in zumutbarer Entfernung zur Wohnung des Kindes festschreiben, zu berücksichtigen.
3. Das Rücksichtnahmegebot ist nicht allein deshalb verletzt, weil eine Kindertagesstätte den nach der TA Lärm für allgemeine Wohngebiete vorgesehenen Immissionsrichtwert von tags 55 dB(A) nicht einhält. Die TA Lärm findet auf solche Einrichtungen (entsprechende) Anwendung.
Tenor
I. Die Antragsteller wenden sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Errichtung der Kindertagesstätte Marienhöhe in Hamburg-Blankenese.
Gründe
Die Antragsteller sind Eigentümer des Grundstücks E… … und … (Flurstück …). Das mit einem eingeschossigen Wohnhaus bebaute Grundstück grenzt mit seiner südwestlichen Front an den E… und befindet sich im Geltungsbereich des Baustufenplans Iserbrook/Sülldorf (erneut festgestellt am 14.01.1955), der für diesen Bereich ein „W 2 O”-Gebiet ausweist. Auf der dem etwa 11,00 m breiten E… gegenüberliegenden Straßenseite befindet sich das ca. 6.946 m ² große Vorhabensgrundstück E… … (Flurstück …) der Beigeladenen. Dieses Grundstück liegt im Bereich von zwei Baustufenplänen. Für den südlichen Teil setzt der Baustufenplan Blankenese (erneut festgestellt am 14.01.1955) „Außengebiet Landschaftsschutz” fest, für den nördlichen Teil ist im Baustufenplan Iserbrook/Sülldorf „Landschaftsschutz” ausgewiesen. Nördlich hieran schließen sich die Zufahrt zum Parkplatz der S. e.V. und den Tennisplätzen des Vereins (Teil des Flurstücks 3…), die im Eigentum der Antragsgegnerin steht, ein parallel verlaufender Waldweg sowie ein Parkplatz für den Blankeneser Friedhof an. Diese Flächen sowie das weiter westlich anschließende, überwiegend bewaldete Gebiet sind im Baustufenplan Iserbrook/Sülldorf ebenfalls mit „Landschaftsschutz” gekennzeichnet.
Unter dem 20. Juni 2005 erteilte die Antragsgegnerin der Beigeladenen zunächst einen Teilbaugenehmigungsbescheid für den Neubau einer Kindertagesstätte auf dem Flurstück …. Mit diesem Bescheid und einem Ergänzungsbescheid vom 7. Juli 2005 wurde die Errichtung der Sohleplatte einschließlich Fundamenten genehmigt.
Die Beigeladene setzte die Antragsteller am 23. Juli 2005 durch Einwurf eines Schreibens in den jeweiligen Hausbriefkasten von der beabsichtigten Errichtung einer Kindertagesstätte in Kenntnis, wobei die angestrebte Belegung mit ca. 132 Kindern unerwähnt blieb. Als vorgesehener Baubeginn wurde die 30. Kalenderwoche (25.-29.07.2005) angegeben.
Die Genehmigung der Kindertagesstätte für „6 Gruppen à ca. 22 Plätze” selbst erfolgte mit Baugenehmigungsbescheid vom 11. August 2005. Bei der Kindertagesstätte handelt es sich um einen zweigeschossigen Bau, der sich in L-förmiger Bauweise auf dem Flurstück … erstreckt. Die längere Gebäudeachse verläuft parallel zum E…, und zwar in einem Abstand vom Straßenflurstück von etwa 10 bis 12 m. Die andere Achse verläuft parallel zur Zufahrt zum Parkplatz der S. e.V.. Der Ein- und Ausgang der Kindertagesstätte ist diesem Parkplatz zugewandt.
Im Baugenehmigungsbescheid heißt es u.a. wörtlich:
„Abweichungen von baurechtlichen Vorschriften
1. Folgende planungsrechtliche Ausnahme wird nach § 31 Abs. 1 BauGB erteilt
1.1. die Errichtung einer Kindertagesstätte von ca. 726 m ² GR im Außengebiet (§ 35 Abs. 2 BauGB)”
In Ziff. 18.1 der Anlage 1 zum Genehmigungsbescheid wird unter der Überschrift „Erschließung” bestimmt:
„Sollte die Zuwegung, insbesondere zu den notwendigen Stellplätzen, nicht über Baulast gem. § 79 HBauO über das Flurstück 3… oder ein anderes Grundstück gesichert werden können, ist diese auf eigenem Grund herzustellen.”
In der Anlage 5 „Umweltschutzrechtliche Anforderungen / § 22 BImSchG” zum Bescheid wird unter Nr. 4 ausgeführt:
„Die gesamte Anlage ist so zu betreiben, dass durch den Lärmbeitrag der Anlage einschließlich aller Nebeneinrichtungen die Immissionsrichtwerte der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA-Lärm) vom 26.08.98 in der gültigen Fassung nicht überschritten werden.
Für das gegenüberliegende, als allgemeines Wohngebiet ausgewiesene Grundstück sind gem. TA-Lärm Pkt. 6.1 d folgende Immissionsrichtwerte an den jeweiligen Immissionsorten einzuhalten:
tagsüber 55 dB(A), in der Zeit von 06.00 – 22.00 Uhr,
nachts 40 dB(A), in der Zeit von 22.00 – 06.00 Uhr.”
Gegen den Baugenehmigungsbescheid vom 11. August 2005 erhoben die Antragsteller am 11. Oktober 2005 Widerspruch. Am 21. Oktober 2005 haben sie zudem bei Gericht einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gestellt: Das Vorhaben der Beigeladenen verstoße gegen die Festsetzungen der Baustufenpläne Blankenese und Iserbrook/Sülldorf. Diese wiesen das streitbefangene Grundstück als Teil eines Außen- und Landschaftsschutzge...