Tenor
1. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Ausbildungszeit der Antragstellerin entsprechend ihrem Antrag vom 23. Juni 2011 um ein Jahr zu verlängern und sie in das zweite Ausbildungsjahr zurückzustufen.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
1.
Das nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO zu beurteilende Begehren der Antragstellerin, die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, entsprechend ihrem Antrag vom 23. Juni 2011 die Ausbildungszeit um ein Jahr zu verlängern und sie in das zweite Ausbildungsjahr zurückzustufen, ist zulässig und begründet.
Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Der materielle Anspruch (Anordnungsanspruch) und der Grund für die Anordnung (die Dringlichkeit der gerichtlichen Entscheidung, Anordnungsgrund) müssen glaubhaft gemacht sein (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Maßgeblich sind hierbei die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.
Der Anordnungsgrund ergibt sich aus dem Vortrag der Antragstellerin in ihrem Schriftsatz vom 29. August 2011, auf den insoweit verwiesen wird.
Auch ein Anordnungsanspruch ist gegeben, denn die Antragstellerin hat nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand voraussichtlich Anspruch auf eine Verlängerung ihrer Ausbildungszeit.
Gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 BBiG kann die zuständige Stelle auf Antrag Auszubildender in Ausnahmefällen die Ausbildungszeit verlängern, wenn die Verlängerung erforderlich ist, um das Ausbildungsziel zu erreichen.
Hierbei handelt es sich um eine echte und daher grds. eng auszulegende Ausnahmeregel. Verlängerungsgründe sind daher nur außergewöhnliche, nicht alltägliche Fallgestaltungen, die die Ausbildung planwidrig erschwert haben (Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 11. Auflage, § 8 BBiG, Rn. 2 m.w.N.). Zur Standardisierung der Entscheidungen über die Verlängerung der Ausbildungszeit hat der Hauptausschuss des Bundesinstituts für Berufsbildung gemäß § 8 Abs. 3 BBiG Richtlinien erlassen. Den Empfehlungen des Hauptausschusses des Bundesinstituts für Berufsbildung vom 27. Juni 2008 zur Abkürzung und Verlängerung der Ausbildungszeit / zur Teilzeitberufsausbildung (§ 8 BBiG / § 27 HwO) sowie zur vorzeitigen Zulassung zur Abschlussprüfung (§ 45 Abs. 1 BBiG / § 37 Abs. 1 HwO) – denen gemäß § 8 Abs. 3 BBiG besondere Bedeutung zukommt und die für die Entscheidung der zuständigen Stellen bindend sind (Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, aaO) – zufolge muss der Auszubildende glaubhaft machen, dass die Verlängerung erforderlich ist, um das Ausbildungsziel zu erreichen. Eine Verlängerung nach § 8 Abs. 2 BBiG soll nur ausnahmsweise bei Vorliegen besonderer Gründe gewährt werden (E.2 Abs. 4 der Empfehlungen). Das Vorliegen solcher besonderer Gründe hat die Antragstellerin hier glaubhaft gemacht.
Grundsätzlich können „längere, vom Auszubildenden nicht zu vertretende Ausfallzeiten (z.B. infolge Krankheit)” – wie sie die Antragstellerin hier geltend macht – eine Verlängerung erforderlich machen (E.3 Abs. 1 der Empfehlungen). Allerdings machen die Formulierungen „können” und „erforderlich” deutlich, dass längere krankheitsbedingte Ausfallzeiten nicht automatisch einen Anspruch auf eine Verlängerung der Ausbildungszeit begründen. Notwendig ist vielmehr eine streng einzelfallbezogene Betrachtung, ob eine Verlängerung der Ausbildungszeit im konkreten Fall erforderlich ist, weil das Erreichen des Ausbildungsziels aufgrund krankheitsbedingter Ausfallzeiten gefährdet ist (so die Antragsgegnerin in ihrem ablehnenden Bescheid) oder das Ausbildungsziel wegen der krankheitsbedingten Ausfallzeiten nicht erreicht werden kann. Diese einzelfallbezogene Betrachtungsweise lässt die Antragsgegnerin in ihrem Bescheid vom 26. Juli 2011 vermissen. Die dort dargelegte schematische Sichtweise – Ausfallzeiten bis zu insgesamt sechs Monaten bei einer Ausbildungszeit von drei Jahren seien im Allgemeinen unerheblich – ist verfehlt und findet keinen Rückhalt in den gesetzlichen Bestimmungen oder den Empfehlungen des Hauptausschusses des Bundesinstituts für Berufsbildung.
Im vorliegenden Einzelfall ist aufgrund der Stellungnahmen der BBS Wechloy – Berufsbildungszentrum für Wirtschaft, Recht und Verwaltung – vom 29. August 2011 und der die Antragstellerin behandelnden Psychotherapeutin vom 2. August 2011 und 30. August 2011 mit hinreichender Sicherheit davon auszugehen, dass die Verlängerung der Ausbildungszeit um ein Jahr erforderlich ist, um das Ausbildungsziel zu erreichen.
Die Berufsschule hat in ihrer Stellungnahme auf Anfr...