Entscheidungsstichwort (Thema)
Nutzungsuntersagung. Anspruch auf Einschreiten. Stellplatz. Tiefgarage. Bestandsschutz. Wohnungseigentümergemeinschaft. Gemeinschaftseigentum. öffentlich-rechtliche Abwehransprüche. Nachbarschutz. gekorene Ausübungsbefugnis. geborene Ausübungsbefugnis
Leitsatz (amtlich)
Die Befugnis, öffentlich-rechtliche Nachbaransprüche im Hinblick auf das Gemeinschaftseigentum geltend zu machen, steht nach der Neufassung des Wohnungseigentumsgesetzes der Eigentümergemeinschaft als „geborene” Ausübungsbefugnis zu. Die anderslautende höchstrichterliche Rechtsprechung, wonach es sich bei der Geltendmachung öffentlich-rechtlicher Nachbaransprüche auch im Hinblick auf das Gemeinschaftseigentum lediglich um eine „gekorene” Ausübungsbefugnis handelt, ist durch die Gesetzesänderung obsolet geworden.
Die Festsetzung von Tiefgaragen nach § 12 Abs. 4 BauNVO und das hiermit verbundene Verbot oberirdischer Stellplätze ist als Festsetzung der Art der baulichen Nutzung für einen Grundstückseigentümer im Plangebiet nachbarschützend.
Normenkette
VwGO § 42 Abs. 2; LBO § 65 Abs. 1 S. 2; BauNVO § 12 Abs. 4; WEG § 9a Abs. 2; WEG a.F. § 10 Abs. 6 S. 3
Verfahrensgang
VG Freiburg i. Br. (Urteil vom 09.07.2020; Aktenzeichen 1 K 508/19) |
Tenor
Der Antrag des Beigeladenen auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 9. Juli 2020 – 1 K 508/19 – wird abgelehnt.
Der Beigeladene trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 7.500 Euro festgesetzt.
Tatbestand
I.
Die Kläger begehren ein bauaufsichtsrechtliches Einschreiten der Beklagten gegen den Beigeladenen wegen der Nutzung dreier Kraftfahrzeug-Stellplätze.
Der Kläger zu 1 ist Eigentümer des zu Wohnzwecken genutzten Anwesens … (Flst.-Nr. …) sowie Miteigentümer dreier Eigentumswohnungen in einem Mehrfamilienhaus im … (Flst.-Nr. …) im Stadtgebiet der Beklagten. Damit ist er zugleich Mitglied der dort bestehenden Wohnungseigentümergemeinschaft „T.-Straße 28 und 30 sowie …”, der Klägerin zu 2.
Der Beigeladene ist Eigentümer des Anwesens … (Flst.-Nr. …). Dort befand sich bis zum Jahr 1990 eine Schreinerei mit Wohnnutzung, die am 01.01.1972 gewerberechtlich angemeldet worden war. Eine baurechtliche Genehmigung ist nicht auffindbar. Nach Stilllegung des Schreinereibetriebs im Jahr 1990 wurde das Grundstück gewerblich nicht mehr genutzt; ob dort weiterhin eine Wohnnutzung stattgefunden hat, ist zwischen den Beteiligten umstritten.
Beim … handelt es sich um einen Wohnweg in einem Blockinnenbereich, der die T.- und die H.-Straße verbindet. Straßenverkehrsrechtlich ist er als „Verkehrsberuhigter Bereich” ausgeschildert. Ungefähr in der Mitte weitet sich der Weg zu einem Platz mit Kinderspielplatz (Flst.-Nr. 8401). Im Bereich dieses Platzes sind – mit Ausnahme der von dem Beigeladenen errichteten streitbefangenen oberirdischen Stellplätze – keine oberirdischen Parkmöglichkeiten vorhanden. Der ruhende Verkehr für die Anwesen im Blockinnenbereich wird mithilfe von Tiefgaragen bewältigt, die von den an den Blockrandbereich angrenzenden Straßen angefahren werden können.
Die Grundstücke der Kläger und des Beigeladenen liegen im Geltungsbereich des Bebauungsplans „B1 Hildastraße Mitte” der Beklagten vom 25.03.1985, der mit Genehmigung vom 13.05.1985 in Kraft getreten ist. Der Bebauungsplan setzt als Art der baulichen Nutzung ein allgemeines Wohngebiet fest. Unter „B. Planungsrechtliche Festsetzungen gem. § 9 BBauG in Verbindung mit den Vorschriften der BauNVO” heißt es unter „7. Garagen und Stellplätze (§ 9 BBauG)”:
„Für Neubaumaßnahmen notwendige Stellplätze sind unterirdisch unterzubringen. Über den vorhandenen Bestand hinaus weitere oberirdische Stellplätze in den Blockinnenbereich sind nicht zulässig.”
Nach der Begründung des Bebauungsplans handele es sich bei dem hier maßgeblichen Bereich um ein innerstädtisches Wohngebiet mit städtebaulichen Problemen mittlerer Intensität. Die Wohnnutzung sei durch den ruhenden und fließenden Verkehr beeinträchtigt, die Blockinnenbereiche entsprächen nicht den Anforderungen an zeitgemäßes Wohnen. Es sei Ziel der städtebaulichen Planung, diese Situation zu verbessern, indem unter anderem die Blockinnenbereiche aufgewertet, Parkierungsmöglichkeiten für Anlieger geschaffen und verkehrsberuhigende Maßnahmen durchgeführt werden sollten (Nr. 1.). Unter Nr. 5.4 „Städtebauliche Gestaltung” wird ausgeführt, der Block weise im Blockinnern unter anderem durch eine Nutzung der Grundstücke für den ruhenden Verkehr eine dem Gebiet nicht entsprechende Nutzung und Gestaltung auf.
Durch eine Neubebauung mit Wohngebäuden solle der Blockinnenbereich strukturiert und räumlich aufgewertet werden. Im Zusammenhang mit dieser Wohnbebauung sei eine unterirdische Quartiersgarage vorgesehen. Hier sollten die durch die Neubaumaßnahmen notwendigen Stellplätze untergebracht werden. Die Zufahrt zu der Gemeinschaftsgarage und damit zu den notwendigen Stellplätzen der Neubauten solle ausschließlich von der T.-Straße aus e...