rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Miteigentümer. Erhaltungspflicht. Sicherungsanordnung. Baudenkmal. Teilungserklärung. GmbH. Bauträgerin. Zustandsstörer. Verhaltensstörer. unmittelbare Verursachung. Legalisierungsprinzip. Auswahlermessen. Störerauswahl. Dachreparatur. Eigentümergemeinschaft. Sondereigentum. Gemeinschaftseigentum. Miteigentum. Zuwendung. Sachgesamtheit. Zumutbarkeit. Interessenabwägung. Denkmalschutz. Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO
Leitsatz (amtlich)
Eigentümer und Besitzer von Kulturdenkmalen haben diese im Rahmen des Zumutbaren zu erhalten (§ 6 S. 1 DSchG). Für die Bestimmung der Zumutbarkeit einer denkmalschutzrechtlichen Sicherungsanordnung ist eine wirtschaftliche Betrachtungsweise zugrundezulegen. Bei einem als Sachgesamtheit eingetragenen Kulturdenkmal von besonderer Bedeutung (§ 12 Abs. 1 DSchG) darf nicht isoliert auf das Gebäude abgestellt werden, an dem Sicherungsmaßnahmen vorzunehmen sind; vielmehr muss eine einheitliche wirtschaftliche Betrachtung der Sachgesamtheit vorgenommen werden. Bei der Ermittlung des zumutbaren Erhaltungsaufwands sind auch staatliche Zuschüsse sowie steuerliche Vergünstigungen zu berücksichtigen.
Eine denkmalschutzrechtliche Anordnung zur Sicherung des im Gemeinschaftseigentum stehenden Daches eines Kulturdenkmals kann an jeden Wohnungseigentümer unabhängig von der konkreten Lage seiner Wohnung innerhalb der Sachgesamtheit ergehen. Soweit die Eigentümer oder Besitzer durch zivilrechtliche Regelungen im Innenverhältnis von Instandsetzungsverpflichtungen befreit sind, kann eine derartige Vereinbarung die öffentlichrechtliche Erhaltungspflicht nach § 6 Satz 1 DSchG grundsätzlich nicht aufheben.
Normenkette
DSchG § 6 S. 1, § 7 Abs. 1, § 12 Abs. 1; PolG §§ 6-7; WEG § 5 Abs. 2, 4
Verfahrensgang
VG Sigmaringen (Beschluss vom 08.01.2003; Aktenzeichen 2 K 1834/02) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 8. Januar 2003 – 2 K 1834/02 – mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung geändert.
Der Antrag der Antragsteller auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen die Verfügung der Antragsgegnerin vom 22. August 2002 wird abgelehnt.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 85.000,– EUR festgesetzt.
Tatbestand
I.
Die Antragsteller begehren vorläufigen Rechtsschutz gegen eine Sicherungsanordnung der Denkmalschutzbehörde für den Ostflügel des Schlosses Kirchberg in Immenstaad am Bodensee.
Sie sind Eigentümer einer Wohnung im Schloss Kirchberg in Immenstaad. Dieses Schloss, das bis 1995 als Hofgut zum Kloster Salem gehörte, wurde – wohl durch notariellen Kaufvertrag vom 30.12.1996 – von der Baubetreuungs- und Verwaltungsgesellschaft Schloss Bühl mbH in Tübingen (nachfolgend: Bauträgerin) erworben und in Wohnungseigentum aufgeteilt (vgl. Teilungserklärung vom 6.8.1997, 25.9.1997 und 11.8.1998). In der Folgezeit wurden 40 Eigentumswohnungen von der Bauträgerin veräußert (vgl. den notariellen Kaufvertrag vom 15.5.1998 für einen großen Teil der heutigen Miteigentümer).
Das Schloss ist als Sachgesamtheit gem. § 12 DSchG im Denkmalbuch eingetragen (vgl. die Mitteilung der Antragsgegnerin an die Bauträgerin vom 14.5.1997) und umfasst folgende Bauwerke:
- „Altes Schloss”, Staffelgiebelbau von 1541
- „Neues Schloss”, Ostflügel von 1778/79
- „Neues Schloss”, Südflügel von 1880/81
- Ökonomiegebäude des 16. und 18. Jahrhunderts
- Umfassungsmauern und Torbau und Gartenanlage
- Hofbrunnen
- Seepavillon mit Seemauer
Der Südflügel, das Hofmeistergebäude (wohl das „alte Schloss”) und die Ökonomiegebäude sind zwischenzeitlich renoviert und werden als Eigentumswohnungen genutzt. Die Eigentumswohnungen des Ostflügels sind noch nicht renoviert; sie stehen nach Angaben der Beteiligten noch im Eigentum der Bauträgerin. Am 18.5.1998 erteilte die Antragsgegnerin für den Ostflügel die Baugenehmigung und denkmalschutzrechtliche Zustimmung zur Nutzungsänderung und zum Einbau von sechs Wohnungen, dem Anbau eines verglasten Personenaufzugs sowie der Neueindeckung mit roten Biberschwanzziegeln.
Am 28.6.1999 erteilte die Bauträgerin den Auftrag zur Dachsanierung. Daraufhin wurde Ende des Jahres 1999 das Dach abgedeckt und mit einer provisorischen Baufolie geschützt. Zur Eindeckung des Daches kam es in der Folgezeit nicht mehr, da die Bauträgerin zahlungsunfähig wurde und am 1.4.2001 einen Insolvenzantrag gestellt hat. Seither verschlechtert sich der bauliche Zustand des Ostflügels, weil Wasser in das Gebäude eindringt. Am 4.7.2001 erließ die Antragsgegnerin gegenüber der Bauträgerin die denkmalschutzrechtliche Anordnung, das Dach auf dem Ostflügel des Gebäudes entsprechend der – bis zum 8.5.2004 verlängerten – Baugenehmigung vom 18.5.1998 einschließlich Dacheindeckung und Spenglerarbeiten fertigzustellen. Hiergegen legte die Bauträgerin am 13.7.2001 Widerspruch ein mit der Begründung, dass die angeordneten Maßnahmen zwar notwendig und g...