Entscheidungsstichwort (Thema)
Finanzverfassung. Steuer. Gebühr. Verwaltungsgebühr. Kostendeckungsprinzip. Äquivalenzprinzip. Rückmeldung. Rückmeldegebühr. Studiengebühr
Leitsatz (amtlich)
1. Nicht-steuerliche Abgaben dürfen nicht in Konkurrenz zur grundgesetzlichen Finanzverfassung geraten. Die Erhebung nicht-steuerlicher Abgaben bedarf daher einer besonderen sachlichen Rechtfertigung, die sie von der Steuer deutlich unterscheidet.
2. Eine Gebühr bezieht ihre besondere sachliche Rechtfertigung aus ihrer Bezogenheit auf eine Amtshandlung, die beide als Leistung und Gegenleistung erscheinen läßt. Damit muß sich eine Gebühr durch ihre besondere Zweckbestimmung auszeichnen. Eine Verwaltungsgebühr rechtfertigt sich regelmäßig durch den Zweck, Einnahmen zu erzielen, um speziell die Kosten einer individuell zurechenbaren öffentlichen Leistung ganz oder teilweise zu decken. Weitere Zwecke etwa solche der Verhaltenssteuerung, die von der in Anspruch genommenen Sachkompetenz gedeckt sind, können hinzutreten.
3. Die von Studierenden an den Universitäten im Lande BadenWürttemberg nach § 120a UG für die Bearbeitung einer jeden Rückmeldung erhobene Gebühr (Rückmeldegebühr) ist eine Gebühr und keine Steuer. Sie ist Verwaltungsgebühr und weder Benutzungsgebühr (Studiengebühr) noch Verleihungsgebühr.
4. Zweck dieser Rückmeldegebühr ist nicht die Kostendeckung. Mit ihrer Erhebung verfolgt der Gesetzgeber auch keinen anderen sachlichen Zweck. Sie dient vielmehr allein der aufwandunabhängigen Einnahmeerzielung. Damit tritt sie in Konkurrenz zur Steuer und verletzt die Grenzen, welche die grundgesetzliche Finanzverfassung dem Gebührengesetzgeber zieht. Zugleich verletzt sie den Grundsatz der Belastungsgleichheit aller Abgabepflichtigen (Art. 3 Abs. 1 GG) und deren allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG).
5. Gebühren für die Bearbeitung einer Rückmeldung dürfen nach ihrer Höhe nicht in einem Mißverhältnis zu dem Wert stehen, den die Bearbeitung der Rückmeldung für den einzelnen Studierenden hat (sog. Äquivalenzprinzip). Für den hiernach gebotenen Kosten Nutzen Vergleich müssen diejenigen Vorteile und Vergünstigungen außer Betracht bleiben, die dem Studierenden nicht von seiner Hochschule oder vom Land, sondern von Dritten zugewendet werden, selbst wenn diese Zuwendung mit Blick auf seinen Studentenstatus erfolgt.
Normenkette
GG Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 105-106; UG § 120a
Verfahrensgang
Tenor
Das Verfahren wird ausgesetzt. Dem Bundesverfassungsgericht wird die Frage vorgelegt, ob § 120a Absatz 1 Satz 1 des Gesetzes über die Universitäten im Lande Baden-Württemberg (Universitätsgesetz – UG) in der Fassung des Artikels 7 des Haushaltsstrukturgesetzes 1997 vom 16. Dezember 1996 (GBl. S. 776) mit Artikel 2 Absatz 1, Artikel 3 Absatz 1 sowie mit Artikel 104a bis 108 Grundgesetz vereinbar ist, soweit danach für die Bearbeitung jeder Rückmeldung eine Gebühr von 100 DM zu entrichten ist.
Tatbestand
A.
Der Kläger war bei der beklagten Universität im Wintersemester 1996/97 als ordentlicher Student immatrikuliert. Er meldete sich zum Sommersemester 1997 ins 2. Fachsemester ordnungsgemäß zurück, entrichtete jedoch die vorgeschriebene Rückmeldegebühr von 100 DM nur unter dem Vorbehalt der Rückforderung. Mit der vorliegenden, zunächst auf Rückmeldung ohne Gebührenzahlung gerichteten Klage begehrt er nunmehr die Rückzahlung der Gebühr.
Die Erhebung der Rückmeldegebühr beruht auf § 120a des Universitätsgesetzes (UG). Der Kläger hält diese Vorschrift für verfassungswidrig und nichtig. Er hat vor dem Verwaltungsgericht geltend gemacht: Der Gesetzgeber habe die Rückmeldegebühr als Verwaltungsgebühr für die Bearbeitung der Rückmeldung, nicht als Benutzungsgebühr für die allgemeine Inanspruchnahme der Universitätseinrichtungen, also nicht als Studiengebühr bezeichnet und ausgestaltet. Als Verwaltungsgebühr aber verstoße sie gegen das Kostendeckungsprinzip, selbst wenn diesem kein finanzwirtschaftlicher, sondern ein betriebswirtschaftlicher Kostenbegriff – unter Einschluß von Abschreibungen, Schuldendienst und gewissen Gewinnspannen – zugrunde gelegt werde. Die einzelne Rückmeldung verursache der Beklagten nach Erhebungen des Landesrechnungshofs einen Verwaltungsaufwand von etwa eineinhalb Minuten und damit Kosten von etwa 2 DM, keinesfalls aber solche von 100 DM. Dem Kostendeckungsprinzip komme jedenfalls insoweit Verfassungsrang zu, als es eine Orientierung der Gebührenhöhe an den tatsächlichen Kosten der erbrachten Verwaltungsleistung gebiete. Selbst wenn statt des Verwaltungsaufwands auf den Nutzen der Verwaltungsleistung für den Bürger abgestellt würde, sei festzuhalten, daß die Rückmeldung – anders als die Immatrikulation – für den Studenten ohne Nutzen sei. Insgesamt zeige sich, daß die Rückmeldegebühr in Wahrheit der bloßen Gewinnerzielung diene, die Erbringung der Verwaltungsleistung also nur zum äußeren Anlaß und Vorwand der Abgabeerhebung genommen werde. Das aber sei verfassungsrechtlich unzulässig. So werde die Gebüh...