Entscheidungsstichwort (Thema)

Abwassergebühr. Prozesszinsen. Erstattungsanspruch. Rückwirkung von Rechtssätzen

 

Leitsatz (amtlich)

§ 236 Abs. 1 AO sieht einen Anspruch auf Prozesszinsen für den Abgabenpflichtigen nur dann vor, wenn aufgrund eines rechtskräftigen verwaltungsgerichtlichen Urteils endgültig und abschließend feststeht, dass der Abgabenpflichtige für einen bestimmten Zeitraum bzw. für einen bestimmten Vorgang zu hohe Abgaben bezahlt hat, zu dessen Leistung er im Ergebnis nicht verpflichtet war. Dagegen besteht ein Zinsanspruch des Abgabenpflichtigen in den Fällen nicht, in denen er die Abgabe „verfrüht” geleistet hat, dem Abgabengläubiger (hier: Gemeinde) der Anspruch in der Sache jedoch zusteht, weil er etwa rückwirkend eine wirksame Rechtsgrundlage für die Festsetzung der Abgabe (hier: Abwassergebühr) geschaffen hat.

 

Normenkette

KAG § 3 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. b); AO § 236 Abs. 1, § 233 S. 1

 

Verfahrensgang

VG Freiburg i. Br. (Urteil vom 06.02.2013; Aktenzeichen 1 K 2331/11)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 6. Februar 2013 – 1 K 2331/11 – wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Prozesszinsen im Hinblick auf eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung.

Die Klägerin ist Eigentümerin des auf dem Gebiet der Beklagten gelegenen Grundstücks …. Mit Bescheid vom 31.01.2001 setzte die Beklagte für dieses Grundstück für den Zeitraum vom 17.12.1999 bis zum 31.12.1999 sowie für das Jahr 2000 Abwassergebühren in Höhe von insgesamt 1.714,95 DM (= 876,84 EUR) fest. Der Betrag wurde von der Klägerin an die Beklagte entrichtet. Den gegen den Bescheid vom 31.01.2001 von der Klägerin erhobenen Widerspruch wies das Landratsamt Schwarzwald-Baar-Kreis zurück.

Auf die daraufhin von der Klägerin erhobene Klage hob das Verwaltungsgericht Freiburg mit Urteil vom 25.03.2009 (1 K 963/06) den Abwassergebührenbescheid der Beklagten vom 31.01.2001 sowie den dazu ergangenen Widerspruchsbescheid mit der Begründung auf, der in der Abwassersatzung verwendete einheitliche Frischwassermaßstab stelle keine gültige Maßstabsregelung dar. Mit Beschluss vom 20.09.2010 (2 S 1427/09) wies der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg die Berufung der Beklagten gegen dieses Urteil zurück und führte zur Begründung ergänzend aus: Die Satzung sehe als Maßstab zur Ermittlung der Abwassergebühren sowohl für die Ableitung von Schmutzwasser als auch von Niederschlagswasser den sogenannten (einheitlichen) Frischwassermaßstab vor. Nach dem den Beteiligten bekannten Urteil des Senats vom 11.03.2010 – 2 S 2938/08 – (BWGZ 2010, 469), mit dem er seine frühere Rechtsprechung (Urteil vom 07.10.2004 – 2 S 2806/02 – VBlBW 2005, 239) geändert habe, verstoße dieser Maßstab angesichts der heutigen Wohn- und Lebensgewohnheiten in aller Regel gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG sowie das Äquivalenzprinzip. Auch die Absicht der Beklagten, die insoweit nichtige Satzung durch eine neue wirksame Satzung zu ändern, ändere nichts an der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids. Maßgeblich für die Entscheidung eines Gerichts seien die Rechtsvorschriften, die sich im Zeitpunkt seiner Entscheidung für die Beurteilung des Klagebegehrens Geltung beimäßen. Ob der angefochtene Gebührenbescheid rechtswidrig und die Klägerin dadurch in ihren Rechten verletzt sei, bestimme sich deshalb nach der Abwassersatzung der Beklagten vom 25.08.1992 i.d.F. vom 07.11.2000.

Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg wies das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 21.06.2011 (9 B 10.10) zurück.

Mit Schreiben vom 22.07.2011 forderte die Klägerin die Beklagte auf, die von ihr gezahlte Abwassergebühr in Höhe von 876,84 EUR zuzüglich Prozesszinsen zu erstatten, da das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 25.03.2009 nunmehr rechtskräftig sei.

Am 06.10.2010 hatte die Beklagte bereits eine neue Abwassersatzung, mit der sie rückwirkend zum 01.01.1994 eine nach Schmutz- und Niederschlagswasser gesplittete Abwassergebühr einführte, beschlossen. Die Satzung wurde am 14.10.2010 bekannt gemacht.

Mit Bescheid vom 11.10.2011 setzte die Beklagte für das Grundstück der Klägerin auf der Grundlage der neuen Abwassersatzung für das Jahr 2000 Abwassergebühren in Höhe von 711,– EUR fest und verrechnete damit den von der Klägerin für dieses Jahr bereits gezahlten Betrag in Höhe von 876,84 EUR. Den für dieses Jahr zu viel entrichteten Betrag in Höhe von 165,84 EUR erstattete die Beklagte der Klägerin am 20.10.2011. Den gegen den Bescheid vom 11.10.2011 von der Klägerin erhobenen Widerspruch wies das Landratsamt Schwarzwald-Baar-Kreis mit Widerspruchsbescheid vom 27.03.2012 zurück. Am 16.04.2012 hat die Klägerin dagegen Klage beim Verwaltungsgericht Freiburg erhoben (1 K 715/12), über die bisher noch nicht entschieden worden ist.

Am 28.11.2009 hat d...

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