Entscheidungsstichwort (Thema)
Schwerbehindertengesetz. Zustimmung zur Kündigung. Sachverhaltsermittlung
Leitsatz (amtlich)
Die Hauptfürsorgestelle und das Verwaltungsgericht dürfen sich in Verfahren über die Zustimmung zur Kündigung eines Schwerbehinderten nach § 12 SchwbG jedenfalls dann nicht damit begnügen, ihren Entscheidungen den vom Arbeitgeber schlüssig vorgetragenen Sachverhalt zugrunde zu legen, sondern müssen diesen selbst durch Beweisaufnahme aufklären, wenn das Arbeitsgericht im Kündigungsschutzverfahren insoweit keine eigenständigen Ermittlungen bzw. Wertungen mehr trifft. Das ist z.B. der Fall, wenn streitig ist, ob die Kündigung zumindest auch wegen der Behinderung des Arbeitnehmers erfolgen soll.
Normenkette
SchwbG § 12
Verfahrensgang
VG Karlsruhe (Urteil vom 03.12.1985; Aktenzeichen 2 K 137/83) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 03. Dezember 1985 – 2 K 137/83 – wird zurückgewiesen.
Die Erbin des Klägers trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Berufungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der 1934 geborene, während des Berufungsverfahrens verstorbene Kläger, der den Beruf eines Maschinenbauingenieurs erlernt hat, war seit 01.03.1978 zu einem Nettogehalt von etwa 3.400,– DM als Ingenieur bei der Beigeladenen beschäftigt. Die Beigeladene stellt Flaschenreinigungsautomaten her. Gegen Ende der 70er Jahre begann sie außerdem mit der Konstruktion und Herstellung von Großabfüllanlagen für Flaschen (sog. Abfüll- oder Transportstraßen). Während einer Erkrankung vom 23.02.1981 bis 31.05.1982 wurde der Kläger durch Bescheid des Versorgungsamts Heidelberg vom 14.09.1981 wegen Leberzirrhose, Diabetes mellitus, degenerativen Halswirbelsäulenveränderungen und Brustwirbelsäulenfehlhaltungen als Schwerbehinderter mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 90 % anerkannt. Während dieser Zeit verfügte die Beigeladene über 81 Arbeitsplätze; 3 davon waren mit Schwerbehinderten besetzt.
Am 11.07.1982 beantragte die Beigeladene beim Beklagten, der ordentlichen Kündigung des Klägers zuzustimmen. Sie begründete dies damit, daß der Kläger 1978 zur Konstruktion von Großabfüllanlagen eingestellt worden sei. Bei diesen Großanlagen sei sie aber inzwischen völlig aus dem Markt verdrängt worden. Deshalb müsse ihr gesamter Planungsbereich, den der Kläger leite, aufgelöst werden. Damit müßten alle 8 Arbeitnehmer dieses Bereichs, also auch der Kläger, entlassen werden. Derzeit würden nur noch kleine Reinigungs- und Abfüllmaschinen hergestellt, die längst entwickelt seien. Für diesen Produktionszweig benötige sie keinen Ingenieur.
Der Kläger sprach sich gegen eine Kündigungszustimmung aus, da es für ihn bei der Beigeladenen in der Abteilung Verkauf, Technik und Planung genügend Arbeit gebe. Das Arbeitsamt Tauberbischofsheim äußerte, daß beim Kläger, falls ihm gekündigt würde, mit Arbeitslosigkeit zu rechnen sei und empfahl eine Überprüfung der bestrittenen Behauptung des Klägers und der Beigeladenen. Einen Betriebsrat und einen Vertrauensmann der Schwerbehinderten gab es bei der Beigeladenen seinerzeit nicht.
Mit Bescheid vom 26.07.1982 stimmte die Hauptfürsorgestelle des Beklagten der beabsichtigten ordentlichen Kündigung des Klägers zu. Die Ermittlungen hätten ergeben, daß der Planungsbereich der Beigeladenen nur noch „auf dem Papier stehe” und daß lediglich kleine Reinigungs- und Abfüllmaschinen hergestellt würden. Daß keine Aufträge für Abfüllstraßen mehr vorlägen, habe der Kläger salbst eingeräumt. Seine Einwände, er könne in den Abteilungen Verkauf, Technik und Planung weiterbeschäftigt werden, erschienen zwar schlüssig, setzten aber voraus, daß für ihn dort eine Stelle geschaffen würde. Dazu sei die Beigeladene aber ebensowenig verpflichtet wie zur Entlassung eines anderen Arbeitnehmers. Desgleichen habe dem Kläger keine andere behindertengerechte Arbeit im Betrieb angeboten werden können.
Mit seinem am 26.08.1982 erhobenen Widerspruch trat der Kläger der Sachverhaltsdarstellung der Beigeladenen entgegen und brachte vor: Während seiner Krankheit seien seine Aufgaben vom stellvertretenden Leiter der Abteilung Technik, dem Zeugen Ingenieur …, dank hunderter von Überstunden miterledigt worden. Das habe die Beigeladene darin bestärkt, künftig nur noch einen nicht schwerbehinderten Ingenieur zu beschäftigen, weil dies bedeutend wirtschaftlicher sei. Deshalb habe man dem Zeugen … nur zum Schein kündigen und ihn später wieder einstellen wollen, zumal der Betrieb der Beigeladenen ohne einen Ingenieur nicht auskommen könne. Ein solcher werde in der Konstruktion und im Verkauf dringend benötigt.
Die Beigeladene, die dem Kläger zum 30.09.1982 gekündigt hatte, legte unter Bezugnahme auf ihr Vorbringen im Kündigungsschutzverfahren vor dem Arbeitsgericht dar, daß ihre Umsätze 1980 um 0,5 %, 1981 aber schon um 8,2 % zurückgegangen seien, weil sie im Bereich Abfüllstraßen keine Aufträge mehr erhalten habe. S...