Entscheidungsstichwort (Thema)
Lehrer sexueller Missbrauch von Kindern. Aberkennung des Ruhegehalts. Milderung. Eigentumsgarantie. Dienstvergehens
Leitsatz (amtlich)
1. Aberkennung des Ruhegehalts bei einem Lehrer, der sich zu Zeiten seines aktiven Dienstes außerdienstlich des wiederholten sexuellen Missbrauchs von Kindern schuldig gemacht hat.
2. Von einer Aberkennung des Ruhegehalts ist in einem solchen Fall nicht wegen behaupteter sozialversicherungsrechtlicher Einbußen abzusehen.
3. Die Aberkennung des Ruhegehalts verstößt weder gegen Art. 14 Abs. 1 GG noch gegen Art. 33 Abs. 5 GG noch gegen Art. 1 Abs. 1 des 1. Zusatzprotokolls zur EMRK.
Normenkette
LDO § 12 Abs. 2; EMRK Art. 1 Abs. 1 des 1. Zusatzprotokolls
Verfahrensgang
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Ruhestandsbeamten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen – Disziplinarkammer – vom 03. Mai 2000 – D 10 K 5/99 – wird zurückgewiesen.
Der Ruhestandsbeamte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Tatbestand
I.
1. Der am 21.10.1939 geborene Ruhestandsbeamte schloss seine schulische Ausbildung am Gymnasium in Ehingen-Donau im März 1957 mit der „Mittleren Reife” ab. Im April 1960 bestand er die landwirtschaftliche Gehilfenprüfung mit dem Gesamtergebnis „sehr gut”. Nach dem Besuch der höheren Landbauschule in Nürtingen legte er im Juli 1963 die Staatsprüfung mit der Gesamtnote „gut” ab. Von September 1963 bis März 1964 war er als Landwirtschaftsberater beim Regierungspräsidium Südwürttemberg-Hohenzollern tätig. Im März 1966 bestand er die Prüfung für das Lehramt an landwirtschaftlichen Berufs- und Berufsfachschulen mit der Gesamtnote „gut”. Mit Wirkung vom 18.4.1966 wurde er unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf zum Anwärter für das Lehramt an landwirtschaftlichen Berufs- und Berufsfachschulen ernannt und der landwirtschaftlichen Berufsfachschule in Ravensburg zur praktisch-pädagogischen Ausbildung zugewiesen. Am 3.4.1967 wurde er unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zum Landwirtschaftsoberlehrer z.A. ernannt und mit einem Lehrauftrag von 28 Wochenstunden der landwirtschaftlichen Berufsschule, Fachgruppe Landbau, Ravensburg zugeteilt. Am 14.10.1969 wurde er Beamter auf Lebenszeit und am 1.10.1970 zum Landwirtschaftsschulrat ernannt. Am 1.11.1970 wurde er zum Fachberater für die Berufsausbildung in der Landwirtschaft (Landbau) bestellt. Am 14.1.1981 erfolgte seine Ernennung zum Studienrat, am 5.7.1991 seine Ernennung zum Oberstudienrat.
Mit Bescheid vom 4.1.1993 stellte das Versorgungsamt Ravensburg beim Ruhestandsbeamten wegen einer Verschlusskrankheit der Blutgefäße in beiden Beinen einen Grad der Behinderung von 30 % fest. Mit Bescheid des Arbeitsamts Ravensburg vom 26.4.1993 wurde er einem Schwerbehinderten gleichgestellt. In der Folge erhielt er am 22.7.1993 eine Deputatsermäßigung von fünf Wochenstunden für das Schuljahr 1992/93, die am 10.5.1993 bis zum Ende des Schuljahres 1997/98 verlängert wurde. An der Edith-Stein-Schule in Ravensburg, wo er bis zuletzt tätig war, war er Sicherheitsbeauftragter, Mitglied des Prüfungsausschusses und mitverantwortlicher Leiter der landwirtschaftlichen Abteilung.
Der Ruhestandsbeamte ist verheiratet und hat drei Töchter im Alter von 24, 26 und 28 Jahren; die jüngste Tochter, die studiert, wohnt noch im elterlichen Haushalt. Der Ruhestandsbeamte bezieht – nach Kürzung um ein Viertel – ein Ruhegehalt in Höhe von ca. 4.860,– DM; daneben hat er aus Vermietung und Kapital weitere monatliche Einkünfte in Höhe von ca. 1.000,– DM; die Einkünfte der Ehefrau aus der Betreuung ihrer Mutter sowie aus Vermietung und Kapital belaufen sich auf monatlich ca. 1.550,– DM.
Disziplinarrechtlich ist der Ruhestandsbeamte bisher nicht in Erscheinung getreten.
2. Auf Grund einer entsprechenden Anzeige vom 1.12.1997 erhob die Staatsanwaltschaft Ravensburg unter dem 14.4.1998 gegen den Ruhestandsbeamten Anklage wegen des Verdachts, in 16 rechtlich selbständigen Handlungen jeweils sexuelle Handlungen an drei Kindern (Mädchen) vorgenommen zu haben. Mit Schreiben vom 28.6.1998 beantragte der Ruhestandsbeamte, der nach Aufdeckung der vorgeworfenen Verfehlungen seit 28.4.1998 arbeitsunfähig erkrankt war und sich in stationärer Behandlung im Zentrum für Psychiatrie, Reichenau, befunden hatte, seine Versetzung in den Ruhestand. Eine Untersuchung durch das Gesundheitsamt beim Landratsamt Ravensburg vom 3.8.1998 ergab die Diagnosen schwere depressive Episode, Tinitus (Ohrgeräusch) und arterielle Durchblutungsstörungen beider Beine. In der Folgezeit wurden der Ruhestandsbeamte und der Bezirksvertrauensmann der Schwerbehinderten zur Einleitung eines Disziplinarverfahrens angehört.
Mit Urteil des Amtsgerichts Ravensburg – Jugendschöffengericht – vom 11.1.1999 – 2 Ls 122/98 –, rechtskräftig seit 19.1.1999, wurde der Ruhestandsbeamte wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in 13 Fällen zu einer Gesam...