1 Leitsatz
Auch nach dem 30.11.2020 können die Wohnungseigentümer Ansprüche auf Unterlassung von Videoaufzeichnungen und damit verbundene Schadensersatzansprüche gegebenenfalls individuell geltend machen.
2 Normenkette
§§ 14 Abs. 2 Nr. 1, 19 WEG
3 Das Problem
Wohnungseigentümer K verlangt von Wohnungseigentümer B sinngemäß u. a. die Unterlassung des Aufstellens von Kameras, mit denen der vor seiner Wohnung befindliche Flur aufgenommen wird. Zugleich begehrt K die Zahlung eines Schmerzensgeldes. Nachdem die Parteien sich verglichen und den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, legt das AG die Kosten K auf. Die Klage sei unzulässig gewesen, da sie von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer hätte erhoben werden müssen. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde.
4 Die Entscheidung
Die sofortige Beschwerde hat teilweise Erfolg. Nach LG-Ansicht erscheint eine Kostenaufhebung sachgerecht. Der Ausgang des Prozesses sei unsicher gewesen. Zwar könnten die Wohnungseigentümer Abwehransprüche aus § 1004 BGB in Bezug auf das gemeinschaftliche Eigentum nicht geltend machen. Auch der Abwehranspruch aus § 14 Abs. 1 Nr. 1 WEG liege bei der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Um derartige Ansprüche gehe es K bei einer sachgerechten Auslegung der Klageanträge aber nicht. K erstrebe mit der Klage eine Unterlassung der Aufnahme von Videos durch eine Überwachungsanlage, die den Eingangsbereich seiner Wohnung betreffe, bzw. die Beseitigung eines derartigen Überwachungsdrucks durch B. Der Kern der Ansprüche betreffe das Unterlassen des Fertigens von Videos von K, welche ihn beim Betreten und Verlassen seiner Wohnung und dem Aufenthalt im Flur zeigten. Derartige Ansprüche, die sich als deliktische Ansprüche aus § 823 BGB i. V. m. dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht oder aus der DSGVO ergäben, seien keine Ansprüche, die nach § 9a Abs. 2 WEG der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zur Ausübung zu übertragen seien. Dabei spiele es keine Rolle, ob K im Bereich des Sondereigentums oder im gemeinschaftlichen Eigentum verletzt werde. Auch ein koordiniertes Verhalten der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gem. § 9a Abs. 2 Fall 2 WEG sei nicht geboten. Gleiches gelte für den Schmerzensgeldanspruch bzw. den Anspruch auf Schadensersatz nach Art. 82 DSGVO. Ob und in welchem Umfang die Klage begründet gewesen sei, sei zum Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses unsicher und von weiterem Vortrag und gegebenenfalls Beweisaufnahmen abhängig gewesen.
5 Hinweis
Problemüberblick
Im Fall geht es um die Frage, wann ein Wohnungseigentümer noch berechtigt ist, eine Beeinträchtigung selbst zu verfolgen, und wann die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer für eine Entstörung aufgerufen ist. Da K im Fall geltend macht, er selbst fühle sich durch die Videoaufzeichnung bzw. Kamera beeinträchtigt, konnte es m. E. keinem Zweifel unterliegen und ist vom LG richtig entschieden worden, dass insoweit die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu einer Rechtsverfolgung nicht nur nicht aufgerufen ist, sondern dafür unzuständig wäre.
Was ist für die Verwaltung besonders wichtig?
Wird eine Verwaltung in einem vergleichbaren Fall von einem Wohnungseigentümer aufgefordert, gegen die Videoaufzeichnungen einzuschreiten, ist zu unterscheiden. Soweit sich der Wohnungseigentümer, wie im Fall, selbst beeinträchtigt fühlt, sollte er auf die Entscheidung aufmerksam gemacht werden, dass es an ihm ist, seine Rechte selbst zu verteidigen. Soweit von einer Videoaufzeichnung allerdings das gemeinschaftliche Eigentum betroffen ist und dort eine Störung beklagt wird, ist nach den gesetzlichen Bestimmungen selbstverständlich die Verwaltung aufgerufen, gegen eine rechtswidrige Videoaufzeichnung die notwendigen Schritte einzuleiten.
6 Entscheidung
LG Frankfurt a. M., Beschluss v. 10.5.2023, 2-13 T 33/23