Leitsatz
Die Zurechnung der Kenntnis des Agenten setzt voraus, dass dieser bei der Entgegennahme des Antrags in Ausübung der Stellvertretung für den Versicherer tätig geworden ist. Daran fehlt es in der Regel, wenn der Agent dem Versicherer bei Antragstellung als rechtsgeschäftlicher Vertreter des Versicherungsinteressenten gegenübersteht.
Normenkette
§ 43 VVG
Sachverhalt
Der Kl. ist Testamentsvollstrecker für den Nachlass des am 31.10.1996 verstorbenen L. Er machte in dieser Eigenschaft Versicherungsleistungen aus einem Gebäudeversicherungsvertrag geltend, hilfsweise Ansprüche wegen Verletzung vorvertraglicher Pflichten.
Der Erblasser hatte seine Hausverwaltung, die A. GmbH, mit dem Abschluss eines Versicherungsvertrags für das Gebäude beauftragt und bevollmächtigt. Die A. GmbH holte zunächst ein Angebot beim bisherigen Versicherer X. des Gebäudes ein. Das Angebot enthielt ausweislich des Anschreibens des Versicherers vom 31.8.1995 einen Verzicht auf den Einwand der Unterversicherung. Die A. GmbH übermittelte das Angebot der Bekl., nach Behauptung des Kl. einschließlich des Anschreibens vom 31.8.1995, und erklärte, einen Versicherungsvertrag zu gleich lautenden Bedingungen mit der Bekl. abzuschließen, falls diese eine günstigere Prämie anbiete.
Die Bekl., für die ihr Bezirksdirektor F. verhandelte, legte im September 1995 ein Angebot mit einer Versicherungssumme von 3.197.000 DM vor, das den Verzicht auf den Einwand der Unterversicherung nicht enthielt. Sie überließ der A. GmbH einen von einem Mitarbeiter der Bezirksdirektion K. bereits ausgefüllten Versicherungsantrag, den der Geschäftsführer der A. GmbH für den Erblasser unterzeichnete und an die Bekl. zurückgab. Mit Schreiben vom 20.12.1995 erklärte die Bekl. die Übernahme der Deckung ab dem 1.1.1996 und stellte am 8.8.1996 einen Versicherungsschein aus. Die A. GmbH erhielt von der Bekl. eine Provision.
Am 1.4.1996 entstand an dem versicherten Gebäude ein Brand- und Explosionsschaden in Höhe von 1.403.728,60 DM. Da der Neuwert des Gebäudes 4.980.000 DM betrug, erhob die Bekl. den Einwand der Unterversicherung und zahlte lediglich 901.053,38 DM.
Das LG hat die Bekl. zur Zahlung der restlichen 502.675,22 DM verurteilt. Ihre Berufung ist erfolglos geblieben.
Die Revision der Bekl. führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.
Entscheidung
I. Das Berufungsgericht (BG) habe ausgeführt: Der geltend gemachte Anspruch sei nach Grund und Höhe aufgrund des abgeschlossenen Versicherungsvertrags gerechtfertigt. Auf eine Unterversicherung gem. § 56 VVG könne die Bekl. sich nicht berufen. Der Versicherungsschein enthalte zwar keinen Verzicht auf den Einwand der Unterversicherung, jedoch weiche er insoweit vom Versicherungsantrag ab. Der Erblasser habe über die von ihm bevollmächtigte A. GmbH seinen schriftlichen Antrag um den Ausschluss des Unterversicherungseinwands mündlich ergänzt. Die A. GmbH, der das Anschreiben der X. Versicherung vom 31.8.1995 vorgelegen habe, sei gleichzeitig Versicherungsagentin der Bekl. und als solche für diese tätig geworden. Was gegenüber dem Versicherungsagenten erklärt werde, wirke gegenüber dem Versicherer. Es komme daher nicht mehr darauf an, ob der Inhalt des Anschreibens auch den Mitarbeitern der Bezirksdirektion der Bekl. bekannt gewesen sei.
Die Auffassung der Bekl., die A. GmbH sei ausschließlich als Bevollmächtigte des Erblassers aufgetreten, könne schon deshalb nicht geteilt werden, weil sie der A. GmbH ihre Tätigkeit mit einer Provision vergütet habe. Das bestätige deren Doppelstellung als Bevollmächtigte des Erblassers einerseits und als Versicherungsagentin der Bekl. andererseits. Die Vorschrift des § 181 BGB stehe dem nicht entgegen, da beide Parteien das Handeln der A. GmbH genehmigt hätten. Da die Bekl. im Versicherungsschein weder auf die Abweichung vom Versicherungsantrag noch darauf hingewiesen habe, dass die Abweichung bei fehlendem schriftlichen Widerspruch als genehmigt gelte, sei der Versicherungsvertrag gem. § 5 Abs. 3 Satz 3 VVG nach dem Inhalt des einen Verzicht auf den Einwand der Unterversicherung einschließenden Versicherungsvertrags zustande gekommen.
II. Nach der Entscheidung des BGH sind diese Ausführungen des BG nicht frei von Rechtsfehlern.
1. Richtig sei allerdings der Ausgangspunkt des BG. Der gem. § 43 Abs. 1 VVG empfangsbevollmächtigte Versicherungsagent stehe bei der Entgegennahme eines Antrags auf Abschluss eines Versicherungsvertrags dem Antragsteller als Auge und Ohr des Versicherers gegenüber. Was ihm mit Bezug auf die Antragstellung gesagt und vorgelegt werde, sei dem Versicherer gesagt und vorgelegt. Mit der bloßen Verwendung eines - vorbereiteten - Antragsformulars sei zudem keine erkennbare Beschränkung der Empfangsvollmacht auf schriftliche Erklärung verbunden, sodass auch mündliche Ergänzungen, die vor dem Versicherungsagenten zum schriftlichen Versicherungsantrag abgegeben werden, gegenüber dem Versicherer erklärt seien. Fertige der Versicherer einen Versicherungsschein aus, der inhaltlich nicht dem vo...