Leitsatz

Für den Nachweis besonderer praktischer Erfahrung im Steuerrecht genügt es auch, wenn ein Rechtsanwalt steuerrechtliche Mandate ausschließlich als Angestellter einer Steuerberatungsgesellschaft bearbeitet hat.

 

Sachverhalt

Der Antragsteller arbeitet als angestellter Rechtsanwalt bei einer Steuerberatungs-GmbH. Er beantragte bei der Antragsgegnerin, ihm die Führung der Bezeichnung "Fachanwalt für Steuerrecht" zu gestatten. Zum Nachweis der besonderen praktischen Erfahrungen legte er eine Liste mit 65 Fällen vor. Alle Fälle hatte der Antragsteller als angestellter Anwalt der GmbH bearbeitet. Diese bestätigte schriftlich, dass der Antragsteller die ihm übertragenen Arbeiten fachlich unabhängig und selbständig bearbeitet habe. Der Fachanwaltsausschuss bewertete die vorgelegten Mandate als Fälle im Sinne des § 5 FAO und befürwortete den Antrag. Der Vorstand der Antragsgegnerin teilte diese Ansicht nicht. Der BGH war anderer Meinung.

 

Entscheidung

Eine persönliche und weisungsfreie Bearbeitung von Mandaten als Rechtsanwalt liegt auch vor, wenn solche Fälle von einem Anwalt betreut werden, der bei einer Steuerberatungsgesellschaft angestellt ist. Ein Rechtsanwalt darf zwar für einen Auftraggeber, dem er auf Grund eines ständigen Dienst- oder ähnlichen Beschäftigungsverhältnisses seine Arbeitszeit und -kraft zur Verfügung stellen muss, nach § 46 Abs. 1 BRAO nicht vor Gerichten in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt tätig werden. Dieser Fall liegt bei einem angestellten Rechtsanwalt, der unabhängig und weisungsfrei Mandate bearbeitet, die sein Arbeitgeber übernommen hat, indes nicht vor. Auftraggeber ist derjenige, dessen Interessen vor Gericht vertreten werden sollen. Das ist aber nicht der Arbeitgeber des angestellten Rechtsanwalts, sondern der Mandant, der den Arbeitgeber des Rechtsanwalts mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt hat. Dieser hat auf Grund des Mandats kein Direktionsrecht gegenüber dem angestellten Rechtsanwalt.

Auch ein Vertretungsverbot nach § 46 Abs. 2 BRAO ist nicht gegeben. Bei der nötigen verfassungskonform einschränkenden Auslegung ist unter einem "ständigen Dienst- oder sonstigen Beschäftigungsverhältnis" nur eine Vertragsbeziehung zu verstehen, bei der die Gefahr einer Interessenkollision entstehen kann. Es muss also zu befürchten sein, dass die Weisungs- und Richtlinienkompetenz des Arbeitgebers in die Tätigkeit des Rechtsanwalts hineinwirkt. Ohne eine solche Einwirkung fehlt eine Rechtfertigung für Einschränkungen der Berufsfreiheit.

Rechtsanwälte sind nach § 1 BRAO unabhängige Organe der Rechtspflege, können aber Anstellungsverträge mit Rechtsanwälten, Rechtsanwaltsgesellschaften, Steuerberatern und Steuerberatungsgesellschaften eingehen. Der Anstellungsvertrag muss lediglich die Unabhängigkeit des angestellten Anwalts sicherstellen. Dem steht nicht entgegen, dass der Antragsteller im Rahmen seines Angestelltenverhältnisses unstreitig nur steuerberatend tätig wurde. Denn ein Rechtsanwalt, der bei einer Steuerberatungsgesellschaft angestellt ist, darf in dieser Eigenschaft geschäftsmäßig nur Hilfeleistung in Steuersachen, nicht auch andere Rechtsberatung erbringen, weil die Gesellschaft hierzu nicht befugt ist. Das ändert aber nichts daran, dass die Bearbeitung von steuerrechtlichen Fällen nicht nur eine Hilfeleistung in Steuersachen, sondern auch eine Fallbearbeitung als Anwalt im Sinne der FAO darstellt. Rechtsanwälte sind berechtigt, sich zu spezialisieren und nur auf bestimmten Rechtsgebieten tätig zu sein. Die Bearbeitung steuerrechtlicher Fälle ist dabei ein Ausschnitt der dem Rechtsanwalt erlaubten spezialisierten Berufstätigkeit[1]. Eine solche Spezialisierung steht der Verleihung der Bezeichnung "Fachanwalt für Steuerrecht" nicht entgegen. Diese Fachanwaltsbezeichnung soll gerade eine solche Spezialisierung nach außen hin deutlich machen.

 

Praxishinweis

Nach der Rechtsprechung genügt die Bearbeitung arbeitsrechtlicher Fälle als Verbandssyndikus für den Nachweis besonderer praktischer Erfahrungen auf dem Gebiet des Arbeitsrechts allein auch dann nicht, wenn sie weisungsfrei und unabhängig erfolgt. Vielmehr muss der Berufsangehörige zusätzlich eine erhebliche Zahl von Mandaten im Rahmen selbständiger anwaltlicher Tätigkeit nachweisen[2]. Eines solchen zusätzlichen Nachweises praktischer Erfahrungen außerhalb des Anstellungsverhältnisses bedarf es nach Meinung des Senats bei einem angestellten Rechtsanwalt nicht, der fachlich unabhängig und selbständig Mandate des Arbeitgebers betreut[3]. Seine Tätigkeit und die hierbei erreichbaren praktischen Erfahrungen unterscheiden sich inhaltlich nicht von denen eines selbständigen Rechtsanwalts.

 

Link zur Entscheidung

BGH-Beschluss vom 6.3.2006, AnwZ (B) 37/05

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