Leitsatz
Für die Beurteilung des Fortbestandes der auch weiterhin gemeinsamen Ausübung der elterlichen Sorge ist jeder Umstand von Gewicht, der die für eine solche Regelung unverzichtbaren Voraussetzungen infrage stellt. Zu den das Kindeswohl nachhaltig berührenden Umständen gehört auch die Tatsache, dass die Bereitschaft eines Elternteils zur Kooperation mit dem anderen nachhaltig gestört und dadurch die für eine sinnvolle Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorge unabdingbare Voraussetzung entfallen ist, dass beide Eltern gewillt sind, die Verantwortung für ihre Kinder auch weiterhin gemeinsam zu tragen.
Können Eltern sich in einer so wesentlichen Frage wie der Aufteilung des Barunterhalts für ihre gemeinsamen Kinder trotz bestehender Leistungsfähigkeit nicht einigen und führt dies dazu, dass sie - beide Rechtsanwälte - nur über andere Anwälte kommunizieren und persönliche Gespräche zwischen ihnen nicht mehr möglich sind, ist eine der Grundvoraussetzungen für die auch weiterhin gemeinsame Ausübung der elterlichen Sorge entfallen. Deren Aufrechterhaltung widerspricht in einem solchen Fall dem Kindeswohl.
Eine formelle Bindung des Gerichts an einen übereinstimmenden Elternvorschlag besteht schon im Erstverfahren nicht, weil eine Abweichung hiervon geboten ist, wenn das Wohl des Kindes eine solche erfordert. Gebietet das Kindeswohl eine Abänderung der Sorgerechtsentscheidung gem. § 1696 Abs. 1 BGB, kann ein der früheren Entscheidung zugrunde liegender Elternvorschlag erst Recht für das Gericht keine Bindungswirkung mehr entfalten. Die Frage, ob die Eltern selbst an ihren früheren Vorschlag gebunden sind, kommt in einer solchen Situation eine praktische Bedeutung nicht zu.
Sachverhalt
Aus der im Jahre 1972 geschlossenen Ehe der Eltern waren ein an 6.6.1974 geborener Sohn und eine am 15.7.1977 geborene Tochter hervorgegangen. Durch Verbundurteil aus dem Jahre 1985 hat das Familiengericht die seit dem Mai 1982 getrennt lebenden Eltern - die beide Rechtsanwälte sind - geschieden und ihnen aufgrund eines übereinstimmenden Vorschlags die elterliche Sorge für beide Kinder belassen. In einem gerichtlich protokollierten Vergleich hatte der Ehemann sich verpflichtet, für jedes Kind monatlich Barunterhalt in Höhe von DM 277,50 zu leisten.
Im Jahre 1990 beantragte die Mutter, ihr unter Abänderung der im Verbundurteil getroffenen Regelung allein die elterliche Sorge für die Kinder zu übertragen. Zur Begründung ihres Antrags führte sie aus, dass zum Zeitpunkt der Ehescheidung hinsichtlich der Kinder bestehende gute Einvernehmen der Eltern sei inzwischen erheblich gestört, Gespräche seien nicht mehr möglich. Der Vater habe den Unterhalt für die weitgehend von ihr betreuten Kinder nur sehr unregelmäßig und seit dem Jahre 1988 gar nicht mehr gezahlt, so dass im Frühjahr 1990 Vollstreckungsmaßnahmen erforderlich geworden seien. Auch der gebotenen Erhöhung seiner Unterhaltsleistungen habe er sich widersetzt, so dass auch hier von ihr ein gerichtliches Verfahren in Form einer Stufenklage habe eingeleitet werden müssen.
Der Vater wandte ein, eine Barunterhaltspflicht treffe ihn nicht, weil er nahezu gleichwertige Betreuungsleistungen erbringe wie die Mutter. Der Vergleich über den Kindesunterhalt anlässlich der Ehescheidung sei nur pro Forma geschlossen worden. Er beantragte Zurückweisung des Antrages der Mutter und hilfsweise, das Sorgerecht für beide Kinder ihm zu übertragen.
Das erstinstanzliche Gericht hat die im Scheidungsverbundurteil ergangene Regelung dadurch ersetzt, dass es die elterliche Sorge für beide Kinder der Mutter übertragen hat. Die hiergegen eingelegte Beschwerde des Vaters wurde durch Beschluss des Kammergerichts zurückgewiesen. Mit der - zugelassenen - weiteren Beschwerde verfolgt der Vater sein Begehren weiter.
Entscheidung
Eine Sachentscheidung hinsichtlich der elterlichen Sorge für den Sohn musste nicht mehr ergehen, da dieser im Laufe des Verfahrens volljährig geworden war. Hinsichtlich der noch minderjährigen Tochter hielt der BGH das Rechtsmittel des Vaters für unbegründet. Eine Änderung der Regelung der elterlichen Sorge gem. § 1696 Abs. 1 BGB sei notwendig, da hierfür triftige und das Kindeswohl nachhaltig berührende Gründe sprechen, die nach der Erstregelung eingetreten oder bekannt geworden sind. Es reiche nicht aus, dass ein Elternteil nachträglich von dem übereinstimmenden Vorschlag abrücke, der gem. 1671 Abs. 3 BGB zu Erstregelung geführt habe. Wenn diese Regelung jedoch in Belassung der gemeinsamen elterlichen Sorge aufgrund eines überstimmenden Vorschlags bei entsprechendem Kooperationswillen der Eltern bestanden habe, sei eine Änderung bereits dann veranlasst, wenn ein Elternteil sich nachhaltig gegen den Fortbestand der gemeinsamen elterlichen Sorge wende. Der auf die gemeinschaftliche Wahrnehmung der vollen elterlichen Verantwortung gerichtete elterliche Kooperationswille stelle eine unverzichtbare sachliche Voraussetzung für die Belassung der gemeinsamen elterlichen Sorge nach der Scheidung dar....