1. Rechenlogik
Rz. 23
Im Hinblick darauf, dass die Überschreitung des in § 13a Abs. 1 S. 1 ErbStG genannten Schwellenwerts von 26 Mio. EUR erheblichen Einfluss darauf hat, welches der verschiedenen Begünstigungskonzepte tatsächlich zur Anwendung gelangen kann, gilt es zunächst, das in die Betrachtung einzubeziehende begünstigte Vermögen genau zu definieren. Insoweit spricht das Gesetz selbst von (begünstigtem) "Vermögen im Sinne des § 13b Abs. 2". Das ist das um das schädliche Verwaltungsvermögen (§ 13b Abs. 4 bis 9 ErbStG) geminderte begünstigungsfähige Vermögen i.S.v. § 13b Abs. 1 ErbStG.
Rz. 24
Allerdings regelt § 13a Abs. 9 ErbStG, dass für typische Familienunternehmen ein zusätzlicher Wertabschlag gewährt wird, und zwar vor Anwendung von § 13a Abs. 1 ErbStG. Demzufolge ist der Wert des übertragungsgegenständlichen Gesellschaftsanteils nicht nur um den Wert des (von sämtlichen Begünstigungen ausgeschlossenen) schädlichen Verwaltungsvermögens, sondern (vorab) ggf. auch um einen etwaigen Wertabschlag für Familienunternehmen zu kürzen.
2. Wertabschlag für Familienunternehmen
Rz. 25
Über die Frage, ob bzw. in welchem Umfang besondere gesellschaftsvertragliche Vereinbarungen, beispielsweise Entnahmebeschränkungen oder Vinkulierungsklauseln, auf die Bestimmung des gemeinen Werts (§ 9 BewG) von Unternehmen bzw. Unternehmensanteilen durchschlagen, wird seit langem diskutiert. Nach der einschlägigen BFH-Rechtsprechung kam und kommt eine Berücksichtigung derartiger Besonderheiten im Rahmen der Vorgaben von § 9 BewG nicht in Betracht. Dies akzeptiert auch der Gesetzgeber und wollte offenbar auch nichts daran ändern. § 9 BewG blieb auch im Rahmen des ErbStG 2016 unangetastet.
Rz. 26
Bestimmte gesellschaftsvertragliche Besonderheiten sollen aber nach § 13a Abs. 9 ErbStG (soweit sie auch tatsächlich umgesetzt werden) zu einem erhöhten Verschonungsbedürfnis von Erwerben entsprechend belasteten Vermögens führen. Denn nach der Gesetzesbegründung haben (bestimmte) langfristig bestehende gesellschaftsvertragliche Beschränkungen zur Folge, dass der objektive gemeine Wert der Anteile an der jeweiligen Gesellschaft aus subjektiver Sicht des Erwerbers nicht verfügbar ist. Daher regelt § 13a Abs. 9 ErbStG einen Wertabschlag für Familienunternehmen (Vorwegabschlag), der dann zur Anwendung gelangt, wenn der Gesellschaftsvertrag bestimmte, im Gesetz definierte Entnahmen-, Verfügungs- und Abfindungsbeschränkungen enthält und diese Bestimmungen auch den tatsächlichen Verhältnissen entsprechen, also "gelebt werden".
Rz. 27
Sowohl der Gesetzeswortlaut als auch die Gesetzesbegründung fordert insoweit ausdrücklich entsprechende Regelungen im Gesellschaftsvertrag. Im Übrigen macht die Bezugnahme auf § 13a Abs. 1 ErbStG deutlich, dass die gesetzlichen Voraussetzungen auf Ebene der übertragungsgegenständlichen Gesellschaft erfüllt sein müssen. Ein Wertabschlag auf Ebene nachgeordneter Gesellschaften kommt also nicht in Betracht.
3. In die Wertgrenze einzubeziehende Erwerbe
Rz. 28
Für die Frage, ob die Wertgrenze von 26 Mio. EUR überschritten ist oder nicht, kommt es nicht nur auf den aktuell der Besteuerung zu unterwerfenden Vermögenserwerb an. Vielmehr sind alle innerhalb eines Zeitraums von zehn Jahren von demselben Erblasser/Schenker stammenden Erwerbe begünstigten Vermögens mit einzubeziehen. Diese früheren Erwerbe werden dem aktuellen Erwerb jeweils "nach ihrem früheren Wert" hinzugerechnet (§ 13a Abs. 1 S. 2 ErbStG), um so den maßgeblichen Erwerb zur Anwendung der Erwerbsgrenze zu bestimmen.
Rz. 29
Insoweit lässt der Wortlaut des Gesetzes offen, ob der Grundsatz der Einbeziehung früherer Erwerbe auch Schenkungen erfasst, die vor Inkrafttreten des ErbStG 2016 ausgeführt wurden. Dies ist in der Literatur umstritten. Die Haltung der Finanzverwaltung ergibt sich aus R E 13a.2 Abs. 3 ErbStR 2019; die Beurteilung der Rechtsprechung bleibt insoweit abzuwarten. Klar ist nach § 37 Abs. 12 S. 2 ErbStG jedenfalls, dass eine etwaige Einbeziehung sich nur auf die (aktuelle) Steuerfestsetzung nach neuem Recht auswirkt, die Besteuerung des früheren Erwerbs aber nicht (rückwirkend) beeinflussen kann.
Rz. 30
Jedenfalls für nach aktuellem Recht erfolgende Erwerbe kann diese Zusammenrechnung sehr weitreichende Konsequenzen haben. Denn durch eine so etwa eintretende Überschreitung der Erwerbsschwelle kommt es nicht nur zu einer höheren/anderen Besteuerung der letzten (die Überschreitung auslösenden) Zuwendung. Vielmehr wirkt sich die Überschreitung der Wertgrenze auch auf die (alle) innerhalb der letzten zehn Jahre zuvor erfolgten Schenkungen aus. Wird durch die (jüngste) Zuwendung die Schwelle von 26 Mio. EUR übersch...