Sachverhalt
Bei dem Vorabentscheidungsersuchen ging es um die Frage, ob der seit Jahrzehnten in Italien bestehende Ausschluss des Vorsteuerabzugs für bestimmte Gegenstände (insbesondere Pkw) auf Artikel 17 Abs. 7 der 6. EG-Richtlinie gestützt werden kann. Nach der Richtlinienvorschrift kann vorbehaltlich der in Artikel 29 der 6. EG-Richtlinie vorgesehenen Konsultation jeder Mitgliedstaat aus Konjunkturgründen die Investitionsgüter oder bestimmte Investitionsgüter oder andere Gegenstände von der Vorsteuerabzugsregelung teilweise oder ganz ausschließen. Die Mitgliedstaaten können zur Wahrung gleicher Wettbewerbsbedingungen - anstatt den Vorsteuerabzug abzulehnen - die Gegenstände, welche der Steuerpflichtige selbst hergestellt oder im Inland erworben oder auch eingeführt hat, in der Weise besteuern, dass diese Steuer die Mehrwertsteuer nicht überschreitet, die beim Erwerb entsprechender Gegenstände zu entrichten wäre.
Die Klägerin beantragte für die Jahre 2000 bis 2004 den Vorsteuerabzug für Aufwendungen hinsichtlich des Erwerbs, des Gebrauchs und der Instandhaltung von Fahrzeugen. Italien hat mit Umsetzung der 6. EG-Richtlinie in nationales Recht nach Konsultation des Mehrwertsteuerausschusses (Artikel 29 der 6. EG-Richtlinie) einen Vorsteuerausschluss insbesondere auf den Erwerb und den Gebrauch von Fahrzeugen eingeführt. Dieser Vorsteuerausschluss ist mehrmals - nach weiteren Konsultationen im Mehrwertsteuerausschuss - verlängert worden und gilt bis heute.
Der EuGH dürfte mit seiner jetzigen Entscheidung dieser Praxis ein Ende gesetzt haben. Der Gerichtshof hatte sich bisher lediglich in seinem Urteil vom 8.1.2002, C-409/99 (Metropol Treuhand WirtschaftstreuhandgmbH) zu Artikel 17 Abs. 7 der 6. EG-Richtlinie geäußert. Mitgliedstaaten, die von dieser Regelung Gebrauch machen wollen, müssen vorher den Mehrwertsteuerausschuss konsultieren. Dies ist eine Verfahrensverpflichtung, die erfüllt sein muss, damit sich ein Mitgliedstaat gegenüber einem Steuerpflichtigen auf diese Ausnahmeregelung berufen kann. Artikel 17 Abs. 7 der 6. EG-Richtlinie ermächtige einen Mitgliedstaat nur in Zeiten, in denen erhebliche Abweichungen vom normalen Konjunkturverlauf zu verzeichnen seien dazu, für eine bestimmte Zeit von der Gemeinschaftsregelung des Vorsteuerabzugs abzuweichen. Artikel 17 Abs. 7 erlaube somit keine zeitlich unbegrenzte Ausnahme aus Haushaltsgründen.
Entscheidung
Diese Entscheidung hat der EuGH nunmehr bestätigt aber auch noch verstärkt. Artikel 17 Absatz 7 lässt es nicht zu, den Vorsteuerabzug ohne vorherige Konsultation des Mehrwertsteuer-Ausschusses auszuschließen. Sie berechtigt die Mitgliedstaaten auch nicht, einen Vorsteuerausschluss zeitlich unbegrenzt zu regeln oder mit Haushaltsdefiziten zu begründen. Soweit der Vorsteuerausschluss nicht auf Artikel 17 Abs. 7 der 6. EG-Richtlinie gestützt werden kann, darf die nationale Finanzverwaltung dem Steuerpflichtigen keine Bestimmung entgegenhalten, die von den Grundprinzipien des Vorsteuerabzugs abweicht (Artikel 17 der 6. EG-Richtlinie). Dem Steuerpflichtigen steht der Vorsteuerabzug unter den allgemeinen Voraussetzungen zu. Dem italienischen Antrag, seine Entscheidung zeitlich rückwirkend zu beschränken, ist der EuGH nicht gefolgt.
Ausweislich des Urteils war Italien im Mehrwertsteuer-Ausschuss mehrfach darauf hingewiesen worden, dass die für die Verlängerungen der Beschränkung des Vorsteuerabzugs geltend gemachten Haushaltsgründe alleine nicht ausreichen, um eine konjunkturbedingte Maßnahme im Sinne von Artikel 17 Abs. 7 der 6. EG-Richtlinie zu rechtfertigen.
Hinweis
Es war zu erwarten, dass der EuGH die italienische Vorsteuerausschlussregelung als nicht vereinbar mit Artikel 17 Abs. 7 beurteilen würde. Es wäre allerdings auch schon seit vielen Jahren Aufgabe der EU-Kommission gewesen, auf eine Abschaffung des Vorsteuerausschlusses im Wege eines Vertragsverletzungsverfahrens hinzuwirken. Deutschland macht von Artikel 17 Abs. 7 der 6. EG-Richtlinie keinen Gebrauch. Von daher hat das Urteil keine unmittelbare Bedeutung für das deutsche Umsatzsteuerrecht.
Link zur Entscheidung
EuGH, Urteil vom 14.09.2006, C-228/05