Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Normenkette
§ 28 Abs. 3, 5 WEG
Kommentar
1. Anteilige Beträge an Ausgaben der Wohnungseigentümer (Abrechnungsergebnisse aus dem Vorjahr einschließlich Heizwerkkosten, sog. Saldovorträge oder Kontostandsabrechnungen), die nicht in der Gesamtabrechnung enthalten sind, können nicht Gegenstand der mitzubeschließenden Einzelabrechnung sein. In einem solchen Fall sind die angefochtenen Einzelabrechnungen nur hinsichtlich dieser Beträge für ungültig zu erklären (Teilungültigkeit). Bei einem Saldo aus einer Vorjahresabrechnung handelt es sich weder um Einnahmen noch Ausgaben des laufenden Wirtschaftsjahres, sodass für einen solchen Saldo kein Raum in der Jahresabrechnung ist. Insoweit wurden die Vorentscheidungen (AG München, LG München I) aufgehoben.
2. Zu den Anforderungen an eine Jahresgesamtabrechnung und an die Einzelabrechnungen bleibt der Senat bei den aufgestellten Grundsätzen seiner Entscheidung vom 6. 3. 1987 (BayObLG Z 1987, 86, fortgeführt z. B. in BayObLG Z 1989, 310 und WuM 1989, 264). Der Beschluss über eine Jahresabrechnung muss auch die Beschlussfassung über die Einzelabrechnungen enthalten; dieser Meinung hat sich auch das OLG Köln (WuM 1990, 47) und im Grundsatz auch das OLG Zweibrücken (ZMR 1990, 155) angeschlossen. Abgelehnt wird diese Meinung allerdings vom KG Berlin (das einem Zahlungsanspruch auch ohne Eigentümerbeschluss über die Einzelabrechnung stattgeben will); durch Beschluss v. 24. 1. 1990 (WuM 1990, 123) hat das KG den Streit zur Klärung der Rechtsfrage dem BGH vorgelegt (zu ergänzen: zwischenzeitlich vom BGH zumindest mittelbar i. S. des BayObLG entschieden, vgl. BGH, Entscheidung v. 24. 4. 1990, Az.: V ZB 1/90).
Das BayObLG sieht demgegenüber die Beschlussfassung über Einzelabrechnungen insbesondere deshalb als erforderlich an, da Gesamtabrechnung und Einzelabrechnungen in einem untrennbaren Zusammenhang stehen. Macht z. B. ein Eigentümer geltend, er habe höhere Vorauszahlungen geleistet als vom Verwalter angenommen und angesetzt, so berührt dies nicht nur die spezielle Einzelabrechnung, sondern auch die Gesamtabrechnung, weil dadurch die Höhe der Gesamteinnahmen infrage gestellt wird. Andererseits hängen aber auch die Einzelabrechnungen untereinander zusammen; macht z. B. ein Eigentümer geltend, der Verwalter habe bei der Umlegung eines Einzelausgabenpostens einen unzutreffenden Verteilungsschlüssel zugrunde gelegt, so betrifft dies sämtliche Einzelabrechnungen, allerdings nicht die Gesamtabrechnung (vgl. auch Demharter WuM 1990, 97; früher sprach das BayObLG hier von "kommunizierender Wirkung der Einzelabrechnungen untereinander"). Durch die Beschlussfassung der Eigentümer auch über die Einzelabrechnungen wird mit Wirkung für und gegen alle Eigentümer verbindlich festgelegt, welchen Restbetrag Eigentümer noch schulden oder welchen Betrag sie als Überzahlung zurückerhalten. Damit sind unterschiedliche Auffassungen auch über die Einzelabrechnungen in der Wohnungseigentümerversammlung auszutragen und werden nur bei nicht möglicher Klärung in das gerichtliche Verfahren über Beschlussanfechtung verlagert. Sowohl für Gesamtabrechnung als auch für Einzelabrechnungen sind jeweils die Einnahmen und Ausgaben zu saldieren. Beschlussgegenstand sind deshalb entgegen der Auffassung der Vorinstanzen nicht nur die Gesamtausgaben bzw. die auf den einzelnen Eigentümer entfallenden Anteile hieran; vielmehr ist auch die Einnahmenseite jeweils in die Beschlussfassung miteinzubeziehen.
Link zur Entscheidung
( BayObLG, Beschluss vom 23.05.1990, BReg 2 Z 44/90= WE 9/91, 258)
zu Gruppe 4: Wohnungseigentumsverwaltung
Anmerkung:
Diese Entscheidung manifestiert erneut zum einen die Grundsätze der geforderten Einnahmen-Ausgabenüberschussabrechnung im Wohnungseigentumsrecht und zum anderen das Erfordernis einer Beschlussfassung auch über Einzelabrechnungen (aufgrund der kommunizierenden Wirkungen der Einzelabrechnungen untereinander und der evtl. Effekte einzelner unrichtiger Abrechnungen auf die Gesamtabrechnung); vgl. auch Deckert, NJW 89, 1065.