Leitsatz
Hat der Vermieter ein Mietverhältnis über Wohnraum wegen Eigenbedarfs wirksam gekündigt und fällt der geltend gemachte Grund nachträglich weg, so ist dies nur dann zu berücksichtigen, wenn der Grund vor dem Ablauf der Kündigungsfrist entfallen ist; in diesem Fall ist der Vermieter zu einer entsprechenden Mitteilung an den Mieter verpflichtet (amtlicher Leitsatz des BGH).
Normenkette
BGB § 574
Kommentar
Der Vermieter hatte das Mietverhältnis mit der Begründung gekündigt, dass er die Wohnung für seine Schwiegermutter benötige. In dem anschließenden Räumungsrechtsstreit wurde die Mieterin zur Räumung und Herausgabe verurteilt. Ihr wurde eine Räumungsfrist bis Ende Juli 2001 bewilligt.
Die Schwiegermutter des Vermieters ist im Juni 2001 verstorben. Die Mieterin hat die Wohnung im September 2001 geräumt. Nach ihrem Auszug hat sie vom Tod der Schwiegermutter erfahren und den Vermieter auf Ersatz der Umzugskosten und der Differenz zwischen der ursprünglichen und der nunmehr zu zahlenden Miete in Anspruch genommen.
Das Landgericht hat den Vermieter zum Schadensersatz verurteilt. Es hat die Ansicht vertreten, dass der Vermieter verpflichtet gewesen wäre, die Mieterin über den Tod der Schwiegermutter zu informieren. Der BGH hat das Urteil des Landgerichts aufgehoben und die Klage abgewiesen:
Es ist in der Rechtsprechung im Grundsatz anerkannt, dass der Vermieter den aus einer wirksamen Kündigung folgenden Räumungsanspruch nicht weiterverfolgen darf, wenn der Eigenbedarf nach dem Kündigungsausspruch entfällt. Der Vermieter ist in einem solchen Fall verpflichtet, den Mieter über die veränderte Sachlage zu unterrichten. Eine Verletzung dieser Pflicht kann Schadensersatzansprüche zur Folge haben.
Streitig ist allerdings, bis zu welchem Zeitpunkt der Wegfall des Bedarfs zu berücksichtigen ist. Insoweit wird diskutiert:
- der Ablauf der Kündigungsfrist;
- der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung über den Räumungsanspruch;
- die Rechtskraft des Räumungsurteils;
- der Ablauf einer vom Gericht gewährten Räumungsfrist und
- der Auszug des Mieters.
Mit einer vergleichbaren Problematik hatte sich der BGH bereits in dem Urteil vom 9.7.2003 (VIII ZR 311/02) befasst. Dort war die Frage zu entscheiden, ob der Vermieter dem Mieter eine nach dem Kündigungsausspruch freiwerdende Wohnung im Haus zur Anmietung anbieten muss. Der BGH hat diese Frage im Grundsatz bejaht und ergänzend ausgeführt, dass die Anbietpflicht nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist besteht. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, dass andernfalls derjenige Mieter begünstigt wird, der sich trotz Ablaufs der Kündigungsfrist zu Unrecht in der Wohnung aufhält. Der BGH führt aus, dass die hier zu entscheidende Frage nach denselben Grundsätzen zu entscheiden ist. Demnach gilt für die Eigenbedarfskündigung ganz allgemein, dass eine Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist eine Rolle spielt.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil vom 09.11.2005, VIII ZR 339/04, WuM 2005, 782