Leitsatz

Gegenstand des Verfahrens war der Umfang der Prüfungspflicht eines Rechtsanwalts nach fehlerhafter Rechtsmittelbelehrung des Ausgangsgerichts.

 

Sachverhalt

Die Kindeseltern stritten über das Sorgerecht für ihre drei Kinder. Der Vater begehrte in erster Linie die Aufrechterhaltung der gemeinsamen Sorge, die Mutter hingegen begehrte die Übertragung der elterlichen Sorge für alle drei Kinder auf sich selbst. Das AG hat durch Beschluss vom 14.12.2009 dem Antrag der Kindesmutter stattgegeben, die gemeinschaftliche Sorge der Kindeseltern aufgehoben und diese der Kindesmutter allein übertragen.

Zustellung des Beschlusses an die Parteivertreter erfolgte am 7.1.2010. Er war mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen, die den Hinweis enthielt, die Beschwerde sei beim AG durch Einreichung einer Beschwerdeschrift oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle des Gerichts einzulegen.

Die Beschwerdeschrift des Kindesvaters ging am 7.2.2010 (Sonntag) bei dem AG ein. Dieses hat sie am 7.4.2010 dem OLG zur Entscheidung vorgelegt. Auf entsprechenden Hinweis des Senats hat der Kindesvater mit am 19.4.2010 eingegangenen Schriftsatz Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist beantragt.

Das OLG hat Wiedereinsetzung nicht gewährt und die Beschwerde des Vaters gegen den erstinstanzlichen Beschluss an unzulässig verworfen.

 

Entscheidung

Das OLG wies zunächst darauf hin, dass auf das zweitinstanzliche Verfahren gemäß Art. 111 Abs. 1 FGG-RG das bis zum 31.8.2009 geltende Recht weiter anzuwenden sei, weil das Verfahren in erster Instanz vor dem 1.9.2009 eingeleitet worden war.

Gegen den Beschluss des AG vom 14.12.2009 sei deshalb das Rechtsmittel der befristeten Beschwerde statthaft, das gemäß § 621e Abs. 3 S. 1 ZPO i.V.m. § 517 ZPO binnen eines Monats bei dem Beschwerdegericht hätte eingelegt werden müssen. Da die Zustellung des angefochtenen Beschlusses am 7.1.2010 erfolgt sei, sei daher die Frist am Montag, dem 8.2.2010, abgelaufen. Beim OLG sei die Beschwerde jedoch erst am 7.4.2010, somit deutlich nach Fristablauf, eingegangen.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist sei zurückzuweisen, weil der Kindesvater diese Frist nicht schuldlos versäumt habe.

Liege - wie hier - eine fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung des Ausgangsgerichts vor, welches irrtümlich eine Belehrung nach FamFG erteilt und fehlerhaft auf die Einlegung der Beschwerde beim AG statt beim OLG hingewiesen habe, sei zu berücksichtigen, dass sich ein Rechtsanwalt nicht ohne weiteres auf eine derartige Rechtsmittelbelehrung verlassen dürfe. Er sei vielmehr verpflichtet, eigenständig zu prüfen, welches Rechtsmittel statthaft sei und unter welchen Voraussetzungen es eingelegt werden könne. Die Kenntnis vom zutreffenden Rechtsmittel und dessen Zulässigkeitsvoraussetzungen könne von einem Rechtsanwalt regelmäßig erwartet werden (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 6.7.2010 - 16 UF 76/10, zitiert nach Juris; BVerfG, a.a.O.; OLG Stuttgart, NJW 2010, 1978; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 6.7.2010 - 16 UF 76/10, zitiert nach Juris).

Nach den Umständen des Streitfalls habe sich der anwaltlich vertretene Kindesvater nicht auf die fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung des AG verlassen dürfen. Weder mit dem Wiedereinsetzungsantrag vom 19.4.2010 noch mit Schriftsatz vom 8.9.2010 sei schlüssig dargelegt worden, dass die Vertreterin des Kindesvaters tatsächlich einer Rechtsmittelbelehrung bedurfte oder dass diese jedenfalls für die Fristversäumung kausal geworden sei. Von ihr als Rechtsanwältin sei zu verlangen, dass sie unabhängig von einer Belehrung durch das Gericht überprüfe, welches Rechtmittel in welcher Form einzulegen sei.

Im Übrigen hätte ihr als Rechtsanwältin bekannt sein müssen, dass zumindest erhebliche Zweifel daran bestanden, dass im vorliegenden Verfahren tatsächlich die Beschwerde nach FamFG und nicht die befristete Beschwerde nach ZPO einzulegen war. Es hätte anwaltlicher Sorgfalt entsprochen, zumindest die Beschwerdefrist nicht fast bis zum Ende auszuschöpfen oder ggf. vorsorglich die Beschwerde auch gleichzeitig zum OLG einzulegen. Auf eine zweifelhafte Rechtsmittelbelehrung habe sich die Rechtsanwältin dagegen nicht verlassen dürfen.

 

Link zur Entscheidung

Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 13.10.2010, 9 UF 33/10

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