1 Leitsatz
Es entspricht keiner ordnungsmäßigen Verwaltung, ohne ausreichende Daten anzunehmen, dass sich die Kosten für Wärme und Warmwasser verdoppeln.
2 Normenkette
§ 28 Abs. 1 Satz 1 WEG
3 Das Problem
Bei den Vorschüssen gehen die Wohnungseigentümer bei ihrer Planung für das Wirtschaftsjahr 2023 davon aus, dass die Kosten für "Heizung/Wasser/Kanal" von 45.000 EUR auf 90.000 EUR steigen werden. Gegen diese Annahme geht Wohnungseigentümer K vor. Er meint, es gebe keine sachliche Grundlage dafür, dass sich die Heizkosten im Jahr 2023 um 100 % erhöhen werden. Seine Nachfrage bei den Stadtwerken, von wo die Fernwärme bezogen werde, habe ergeben, dass der Preisindex, an dem sich die Preisentwicklung orientiere, von Januar bis Juli 2022 um etwa 20 % erhöht habe. Eine Erhöhung der Position um 100 % sei mithin "ins Blaue" hinein ohne Grundlage getätigt worden.
4 Die Entscheidung
Die Anfechtungsklage hat Erfolg! Zwar habe die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer bei der Frage, mit welchen Ausgaben zu rechnen sei, ein Ermessen. Eine gewisse Anhebung der Vorschüsse wäre daher, basierend auf der Annahme, dass sich die Heizkosten voraussichtlich für 2023 erhöhen werden, nicht zu beanstanden gewesen. Für eine 100-prozentige Anhebung dieser Position wären aber ausreichend fundierte Erkenntnisse erforderlich gewesen. Der Beginn des Ukrainekrieges sei dafür nicht ausreichend.
5 Hinweis
Problemüberblick
Im Fall geht es um die Frage, ob die Wohnungseigentümer bei der Prognose, welche Ausgaben in einem Wirtschaftsjahr anfallen werden, ein Ermessen haben und wo die Grenzen sind.
Höhe der Vorschüsse
Die Höhe der Vorschüsse, die sich auf die einzelnen Kostenpositionen beziehen, ergibt sich durch eine Schätzung der Einnahmen und Ausgaben, anhand der Werte der Vorjahre, der aktuellen Gesetze und der Erfahrungen der Verwaltung. Die Höhe fällt in der Regel regional, aber auch von Wohnungseigentumsanlage zu Wohnungseigentumsanlage unterschiedlich aus. Ein Wirtschaftsplan, der zu erwartende Einnahmen oder Ausgaben außer Betracht lässt und damit zu wesentlich überhöhten Vorschüssen und/oder zu erheblichen Nachschüssen führt, widerspricht einer ordnungsmäßigen Verwaltung. Bei der Schätzung der Einnahmen und Ausgaben und damit der Schätzung der Vorschüsse besteht ein Ermessen. Dieses Ermessen ist weit und erlaubt großzügige Ansätze, zum Beispiel, wie im Fall, bei einer Energiekrise und steigenden Energiekosten (s. auch Becker, ZWE 2023, S. 193, 194). Eine Schätzung ist allerdings mangelhaft, wenn sie zu wesentlich überhöhten Vorschüssen oder zu erheblichen Nachschüssen führt (s. auch Zschieschack, ZWE 2022, S. 346, 349). Im Fall ist das AG der Auffassung, die Schätzung sei ermessensfehlerhaft, weil die ihr zugrunde liegenden Annahmen kein ausreichendes Fundament hätten. Dem ist zuzustimmen.
Was ist für die Verwaltung besonders wichtig?
Um ihre Annahmen für die künftigen Einnahmen und vor allen Dingen für die künftigen Ausgaben zu begründen, sollte die Verwaltung bei der Vorstellung ihrer Planung, beispielsweise in einer Tabelle, die Angaben des vorhergegangenen Wirtschaftsjahrs in eine Spalte und die Annahmen für das künftige Wirtschaftsjahr in eine weitere Spalte aufnehmen. In einer 3. Spalte kann dann erläutert werden, warum die Verwaltung davon ausgeht, dass sich ein Ansatz verändert. Geht es beispielsweise, wie im Fall, um die Veränderung der Ausgaben für die Energiekosten, wäre anzugeben, welche Erkundigungen die Verwaltung eingezogen hat. Eine Nachfrage bei den Stadtwerken, wenn von dort die Energie bezogen wird, ist dabei zwingend.
6 Entscheidung
AG Langen (Hessen), Urteil v. 13.1.2023, 56 C 182/22 (10)