Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Normenkette
§ 13 WEG, § 14 WEG, § 15 WEG
Kommentar
Die Bezeichnung eines Sondereigentums in der Teilungserklärung als "Wohnung" enthält eine Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter, die dahin auszulegen ist, dass jede Nutzung ausgeschlossen sein soll, von der stärkere Beeinträchtigungen ausgehen als sie mit der Nutzung zu Wohnzwecken verbunden sind (h. R. M.).
Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang auch, dass der Wortlaut des § 13 Abs. 1 WEG selbst von der Befugnis des Wohnungseigentümers spricht, das Sondereigentum auch "... in sonstiger Weise zu nutzen ...". Eine über das Wohnen und die damit unvermeidlich verbundene Beeinträchtigung hinausgehende Nutzung des Sondereigentums ist deshalb zulässig, soweit sie unter Würdigung der jeweiligen konkreten Verhältnisse nach der Verkehrsanschauung als zumutbar angesehen werden kann. Deshalb wird z.B. auch die Nutzung einer Wohnung zu gewerblichen Zwecken als Krankengymnastikpraxis (BayObLG, WM 1985, 231) oder zur Vermietung an Feriengäste in einer in einem Erholungsgebiet liegenden Wohnungseigentumsanlage (BayObLG, WM 1978, 305) für zulässig gehalten.
Im vorliegenden Fall ist die teilweise Nutzung der Wohnung des Antragstellers als Architekturbüro oder Praxis eines Steuerberaters und Rechtsbeistandes zulässig. Diese Nutzung ist nach der Verkehrsanschauung in großen Wohnungen in einer noch im innerstädtischen Bereich gelegenen großen Wohnungseigentumsanlage nicht unüblich und deshalb als sozial adäquat anzusehen. Die durch diese freiberuflichen Tätigkeiten verursachten Beeinträchtigungen anderer Wohnungseigentümer überschreiten die durch das Zusammenleben beim Wohnen unvermeidlichen Nachteile typischerweise nicht oder allenfalls in einem nach Treu und Glauben noch zumutbaren Maß. Deshalb besteht Duldungspflicht der restlichen Eigentümer.
Im Falle der zulässigen Nutzung einer Wohnung als freiberufliche Praxis müssen die Eigentümer auch ein Praxisschild in angemessener Größe am Haus- und Wohnungseingang dulden.
Link zur Entscheidung
( KG Berlin, Beschluss vom 08.06.1994, 24 W 5760/93= WM 9/94, 494)
Zu Gruppe 5: Rechte und Pflichten der Miteigentümer
Anmerkung:
Diese Entscheidung erscheint mir doch in so generalisierender Form trotz des Hinweises auf konkrete Verhältnisse überraschend liberal.
Bürobetriebe dieser Art von selbstständigen Berufsgruppen sind in typisierender Betrachtungsweise möglicher Störfaktoren sicher nicht mit einer üblichen Wohnnutzung vergleichbar und von der vereinbarten Zweckbestimmung eines Sondereigentums als "Wohnung" m.E. nicht mehr gedeckt. Man denke z.B. an geräuschintensive Gerätschaften, an den Kunden- und Mandantenverkehr, anerhöhte Verschmutzungsbelastungen gemeinschaftlicher Einrichtungen, Räume und Flächen, Park- und Stellplatzprobleme usw., zumal dann, wenn solche Mehrbelastungen nicht über entsprechende Wohngeldmehrbeteiligungen im Vorfeld möglicher Gestattungen ausgehandelt und geregelt werden. Auch im Regelfall behördliche Zweckminderungsgenehmigungsvorbehalte wurden in dieser Entscheidung mit keinem Wort angesprochen.
Das neuerliche Entscheidungsergebnis des KG Berlin entspricht deshalb m. E. zumindest in Kenntnis vielfacher Vergleichsentscheidungen zu ähnlichen Nutzungsänderungs-Sachverhalten nicht unbedingt der derzeit vorherrschenden, restriktiver urteilenden Rechtsmeinung und berücksichtigt auch nicht ausreichend die - kraft Vereinbarung - unter Vertrauensschutz stehenden Interessen der restlichen Miteigentümer.
Wird i.Ü. eine Ferienwohnung gewerblich an wechselnde Gäste vermietet, stellt dies noch keine gewerbliche Nutzung dieser bzw. in dieser Wohnung dar.