1 Leitsatz
Ein Wohnungseigentümer, der den Beschlussantrag stellt, dem Gebrauch seiner Wohnung als Gewerbe zuzustimmen, muss die anderen Wohnungseigentümer vor der Beschlussfassung über sein Vorhaben und die Auswirkungen umfassend informieren.
2 Normenkette
§§ 1, 10, 14, 19 WEG
3 Das Problem
Wohnungseigentümer K, ein kosmetisch-plastischer Chirurg, beantragt, seine Wohnung künftig als Privatklinik gebrauchen zu dürfen (diese soll an 2 Tagen pro Woche betrieben werden). Er verweist auf die Gemeinschaftsordnung. Dort heißt es unter anderem: "Zur Ausübung eines Gewerbes oder Berufes in einer Wohnung bedarf es, vorbehaltlich etwa erforderlicher behördlicher Genehmigungen, der schriftlichen Einwilligung des Verwalters, soweit ein solcher bestellt ist; diese kann unter Auflagen erteilt werden. Der Verwalter kann die Einwilligung nur aus einem wichtigen Grund verweigern. Als wichtiger Grund ist insbesondere anzusehen, wenn die Ausübung des Gewerbes oder Berufes eine unzumutbare Beeinträchtigung anderer Wohnungseigentümer oder eine übermäßige Abnutzung des gemeinschaftlichen Eigentums mit sich bringt." Der Antrag des K findet keine Mehrheit. Gegen den Negativbeschluss wendet sich K und erhebt zugleich eine Beschlussersetzungsklage. Er meint, der beabsichtigte Gebrauch führe weder zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung anderer Wohnungseigentümer noch zu einer übermäßigen Abnutzung des gemeinschaftlichen Eigentums. Seine Wohnung verfüge über einen separaten Eingang, den die Patienten dann benutzen würden. Die Privatklinik stehe nicht "Unmengen von Personen" zur Verfügung, sondern nur einem auserwählten kleinen Kreis an Patienten. Etwaige medizinische Abfälle würden gesondert gelagert und auf seine Kosten entsorgt werden. Überdies befinde sich die Wohnungseigentumsanlage in einem Mischgebiet.
4 Die Entscheidung
Die Klagen haben jeweils keinen Erfolg! Denn das Ermessen der Wohnungseigentümer, K den gewerblichen Gebrauch seiner Wohnung zu genehmigen, sei nicht auf Null reduziert gewesen. Um das (Nicht-)Vorliegen eines "wichtigen Grundes" zu prüfen und die Beschlussfassung auf eine ausreichende Tatsachengrundlage zu stellen (als Voraussetzung für eine ermessensfehlerfreie Entscheidung), bedürfe es der umfassenden Information der Wohnungseigentümer über das Vorhaben und seine Auswirkungen. Da der konkrete Gebrauch im Wesentlichen auch von den baulichen Gegebenheiten abhänge, hätte K den Eigentümern – rechtzeitig – ein "zustimmungsfähiges Substrat" vorlegen müssen, in dem geregelt sei, wie genau und in welchem Ausmaß die Räume in seiner 3 Etagen umfassenden Wohnung umgebaut und anschließend genutzt werden sollen, einschließlich der Inanspruchnahme des gemeinschaftlichen Eigentums (beispielsweise Treppenhäuser und Personenaufzug). Entsprechendes könne naturgemäß nur nach Maßgabe der bereits erteilten öffentlich-rechtlichen Genehmigungen erfolgen, weswegen K auch diese hätte zur Verfügung stellen müssen. Ohne den Stand und die Reichweite erforderlicher öffentlich-rechtlicher Genehmigungen zu kennen, sei eine Ermessensausübung mangels Tatsachenbasis nicht möglich. Daher sei auch der Antrag auf Beschlussersetzung nicht begründet.
5 Hinweis
Problemüberblick
Ein Wohnungseigentümer darf seine Wohnung grundsätzlich nur zum Wohnen gebrauchen. Nach einer typisierenden Betrachtungsweise kann ihm aber ein Gebrauch erlaubt werden, der nicht mehr als ein "Wohnen" stört.
Gebrauch des Wohnungseigentums
Die Räume eines Wohnungseigentums sind zum Wohnen bestimmt. Ihre ordnungsmäßige Benutzung richtet sich nach diesem Zweck. Hierzu gehört in erster Linie der Gebrauch der Wohnung als Lebensmittelpunkt sowie die entsprechende Benutzung, also vor allem das Vermieten. Der Begriff "Wohnen" ist weit zu verstehen. Entscheidend ist, welcher Gebrauch stattfindet. Die Überlassung von Wohnungen von üblicher Größe und Beschaffenheit an Flüchtlinge und Asylbegehrende dient beispielsweise grundsätzlich Wohnzwecken – auch dann, wenn die Bewohner nicht familiär verbunden sind. Der Gebrauch von Wohnräumen als Heim oder heimähnliche Einrichtung dient hingegen nicht Wohnzwecken. Kein bloßes Wohnen ist ferner der Gebrauch von Wohnräumen als Ingenieur-Planungsbüro ohne Publikumsverkehr, als Patentanwaltskanzlei oder als eine psychologische Einzelpraxis. Die Zulässigkeit dieses Gebrauchs kann sich aus einer typisierenden Betrachtungsweise ergeben. Nach dieser Betrachtungsweise kommt es auf die Umstände an. Eine Arztpraxis mit erheblichem Patientenverkehr soll danach unzulässig sein. Für eine Privatklinik kann es anders sein. Mi dem AG dürfte es richtig sein, für die Beurteilung zu klären, wie sich der Kläger den Betrieb vorstellt.
Einwilligung des Verwalters
In der Gemeinschaftsordnung heißt es, der Verwalter solle in die Gebrauchsänderung einwilligen. Solche Regelungen sind heutzutage anders zu lesen! Der Sache nach steht dort, die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer müsse einwilligen, vertreten durch den Verwalter. Damit sind die Rechte des Verwalters nach § 27 Abs. 2 WEG erweitert worden. Es spricht aber grundsätzlich nichts dagegen, di...