Bei einem Kettenauffahrunfall kommt ein Anscheinsbeweis für eine schuldhafte Verursachung des Heckaufpralls durch den letzten in der Kette auffahrenden Verkehrsteilnehmer nur dann in Betracht, wenn feststeht, dass das ihm vorausfahrende Fahrzeug des Geschädigten rechtzeitig hinter seinem Vordermann zum Stehen gekommen ist und nicht durch einen Aufprall auf das vorausfahrende Fahrzeug den Bremsweg des ihm folgenden Fahrzeugs verkürzt hat. Führen bei einem Kettenauffahrunfall die Schäden im Front- und Heckbereich des geschädigten Kraftfahrzeugs zu einem wirtschaftlichen Totalschaden und ist nicht feststellbar, ob der Frontschaden durch das Auffahren des nachfolgenden Fahrzeugs verursacht wurde, kann der gegen den Auffahrenden begründete Schadensersatzanspruch betreffend den Heckanstoß nach § 287 ZPO durch die quotenmäßige Aufteilung des Gesamtschadens, gemessen am Verhältnis der jeweiligen Reparaturkosten, ermittelt werden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Verursachung auch des Frontschadens durch den Auffahrenden nicht weniger wahrscheinlich ist als die Entstehung des Frontschadens unabhängig vom Heckaufprall (OLG Hamm NZV 2016, 35).

Die Anwendbarkeit des Anscheinsbeweises bestimmt sich in Verfahren mit internationalem Bezug (hier: Verkehrsunfall in Frankreich) nicht nach dem ausländischen Recht, sondern nach den Regeln des deutschen Zivilprozessrechts als dem Recht am Ort des angerufenen Gerichts. Der Anscheinsbeweis spricht für eine Vorfahrtsverletzung des Wartepflichtigen, wenn es in einem Einmündungsbereich zu einer Kollision kommt. Ist allerdings anhand von Lichtbildern davon auszugehen, dass die Kollisionsstelle hinter der Einmündung lag, so greift der Anscheinsbeweis nicht zu Lasten des Wartepflichtigen (LG Saarbrücken NJW 2015, 2823 = NZV 2015, 488 = DAR 2015, 698; allg. zum Anscheinsbeweis Sieger zfs 2015, 669).

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