Der Unterhaltsbedarf kann auch durch eigenes Vermögen des Unterhaltsberechtigten gedeckt werden. Dabei muss zwischen den Vermögenserträgen – die als Einkünfte zu behandeln sind – und dem Vermögensstamm unterschieden werden.
Wie sich aus § 1602 Abs. 2 BGB und § 1603 Abs. 2 S. 3 BGB ergibt, haben selbst minderjährige Kinder ihre Einkünfte aus eigenem Vermögen zur Minderung ihrer Bedürftigkeit einzusetzen. Zu denken ist hier an Zinseinkünfte aus Sparbeträgen und Dividenden aus Aktien sowie an Mieterträge aus der Vermietung einer eigenen Wohnung. Aber auch der Vorteil des eigenen mietfreien Wohnens kann von Bedeutung sein (OLG Koblenz v. 17.4.2002 – 9 UF 561/01). Ein unterhaltsberechtigtes Kind ist ggf. auch verpflichtet, eine Forderung einzuziehen, die es in zumutbarer Weise einziehen könnte (BGH, Urt. v. 5.11.1997 – XII ZR 20/96, FamRZ 1998, 367). Darüber hinaus muss das volljährige Kind auch die Substanz seines Vermögens einsetzen (OLG Zweibrücken, Beschl. v. 16.10.2015 – 2 UF 107/15, NZFam 2016, 33 = MDR 2016, 31):
- Das anzurechnende Vermögen ist im ersten Schritt um einen Schonbetrag zu bereinigen, der etwa in Anlehnung an den "Notgroschen" des Sozialhilferechts festzusetzen ist (BGH, Urt. v. 5.11.1997 – XII ZR 20/96, FamRZ 1998, 367; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 26.3.1990 – 7 UF 220/89, FamRZ 1990, 1137).
- Auch sind bestimmte zweckgebundene Rücklagen anzuerkennen.
- Der verbleibende Betrag ist dann nach Zumutbarkeit anzurechnen. Die Grenze der Unzumutbarkeit soll dabei etwas enger als bei § 1577 Abs. 3 BGB gezogen werden, angenähert etwa dem Begriff der groben Unbilligkeit. Das Gericht muss über diese Frage im Einzelfall im Rahmen einer umfassenden Zumutbarkeitsabwägung entscheiden, die alle bedeutsamen Umstände und speziell auch die Lage des Unterhaltsverpflichteten und speziell dessen wirtschaftliche Belastungen berücksichtigt (BGH, Urt. v. 5.11.1997 – XII ZR 20/96, FamRZ 1998, 367). Hier ist anwaltlicher Sachvortrag erforderlich. Das Kind muss die Umstände darlegen und ggf. beweisen, aus denen sich Nichtanrechenbarkeit ergeben soll.
Verfügt das Kind über ein Sparvermögen von 15.000 EUR und werden für den Unterhalt in den nächsten zwei Jahren rund 4.000 EUR benötigt, so ist es dem Kind zuzumuten, diesen Vermögensstamm zu verwerten (OLG Hamm, Beschl. v. 11.8.2006 – 11 UF 25/06, NJW 2007, 1217).
Besteht eine Ausbildungsversicherung, muss sich das Kind deren Leistungen auf seinen Anspruch auf Ausbildungsunterhalt als eigenes Vermögen ohne Schonbetrag anrechnen lassen (OLG Frankfurt v. 2.1.2003 – 5 WF 160/02). Das Gleiche gilt auch für Leistungen aus einem Ausbildungsfonds, und zwar auch dann, wenn dem Kind daraus direkt kein Leistungsanspruch zusteht (OLG Frankfurt, Beschl. v. 2.6.1992 – 3 UF 23/92, FamRZ 1993, 98).
OLG Jena, Beschl. v. 3.3.2016 – 1 UF 340/15:
Vermögenseinsatz aus Erbschaft des unterhaltsberechtigten Studenten
- Ein volljähriges Kind hat zur Deckung seines Unterhalts vorrangig seinen Vermögensstamm zu verwerten, bevor es seine Eltern in Anspruch nimmt. Dabei ist das anzurechnende Vermögen um einen Schonbetrag zu bereinigen.
- Inwieweit ein volljähriges Kind sein übriges Vermögen für die Ausbildung einsetzten muss, ist nach einer umfassenden Zumutbarkeitsabwägung zu entscheiden, die alle bedeutsamen Umstände und insbesondere auch die Lage des Unterhaltsverpflichteten berücksichtigt.
- Die in Kenntnis des Ausbildungsunterhalts erfolgten Ausgaben (Sprachreise, Computer), die zu einer Verringerung dieses Vermögens geführt haben, sind mit Blick auf das zum Zeitpunkt der Anschaffung vorhandene Vermögen der Antragstellerin und die wirtschaftlichen Verhältnisse der Eltern gerechtfertigt, da sie der Ausbildung dienten.