Zusammenfassung
- Für die weitere Zulässigkeit eines Unterhaltsverfahrens ist bei Obhutsverlust eines Elternteils danach zu unterscheiden, ob dieser Elternteil als Verfahrensstandschafter oder gesetzlicher Vertreter seines Kindes auftrat.
- Während im Falle der Verfahrensstandschaft die Zulässigkeit des weiteren Verfahrens in Gänze in Frage steht, hat im Fall der gesetzlichen Vertretung der Obhutsverlust nur Auswirkungen auf Begründetheitsebene.
(Leitsätze des Bearbeiters)
BGH, Beschl. v. 6.2.2019 – XII ZB 360/18, ZAP-EN-Nr. 346/2019
Bearbeiter: RiOLG Dr. Sebastian Fritzsche, Butzbach
I Sachverhalt
Im Verfahren nahm ein Kind, vertreten durch seinen obhutsausübenden Vater, seine gemeinsam sorgeberechtigte Mutter als Antragsgegnerin auf Barunterhalt in Anspruch. Der Antrag hatte in erster Instanz nur in sehr geringem Umfang Erfolg. Hiergegen richtete sich die Beschwerde der Antragsgegnerin, die das Beschwerdegericht verwarf (OLG Frankfurt, Beschl. v. 11.7.2018 – 2 UF 85/18). Im Laufe des Beschwerdeverfahrens war das Kind in den Haushalt der Antragsgegnerin gewechselt. In dem von der Antragsgegnerin initiierten Rechtsbeschwerdeverfahren erteilte der BGH am 6.2.2019 unter Bezugnahme auf seinen Beschluss vom 1.3.2017 (XII ZB 2/16, Rn 18) u.a. den Hinweis, dass das Kind im Beschwerdeverfahren nicht hinreichend vertreten sein dürfte.
II Inhalt des Hinweises
Mit der Bezugnahme auf seinen Beschluss vom 1.3.2017 (XII ZB 2/16), macht der BGH deutlich, dass er bei gesetzlicher Vertretung eines minderjährigen Verfahrensbeteiligten durch einen Elternteil nach § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB und dem Obhutswegfall von einer Beeinträchtigung der Verfahrensführungsbefugnis des Verfahrensbeteiligten ausgeht. Dies bedinge einen neuen gesetzlichen Vertreter des Minderjährigen im Verfahren, z.B. durch Bestellung eines Ergänzungspflegers.
Anmerkung
Obgleich sich dieser Hinweis im Rahmen der bisherigen Rechtsprechung verhält (OLG Stuttgart, Beschl. v. 25.7.2016 – 17 UF 284/14, FamRZ 2017, 282 [Ls.]; OLG München FamRZ 2003, 248; OLG Hamm FamRZ 1990, 890; OLG Rostock NJW 2012, 942, 943; aktuell auch OLG Hamburg NZFam 2019, 37, Rn 18), kann ihm in dieser Pauschalität nicht gefolgt werden. Denn es wird nicht in dem erforderlichen Maße unterschieden, ob der die Obhut (ehedem) ausübende Elternteil als Verfahrensstandschafter seines Kindes dessen Recht als fremdes Recht im eigenen Namen geltend macht, § 1629 Abs. 3 S. 1 BGB, oder er aber das Kind bei der Geltendmachung dessen eigenen Rechts im eigenen Namen als gesetzlicher Vertreter im Verfahren vertritt, § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB. Während im Fall der Verfahrensstandschaft in der Tat bei Obhutsverlust die Zulässigkeit des weiteren Verfahrens in Gänze infrage steht, ergeben sich im Vertretungsfall weitgehend nur Konsequenzen auf materiell-rechtlicher Ebene:
Verfahrensstandschaft
Die gesetzliche Verfahrensstandschaft eines Elternteils nach § 1629 Abs. 3 S. 1 BGB ist immer dann gegeben, wenn die Eltern eines gemeinsamen Kindes miteinander verheiratet sind, sie getrennt leben oder zwischen ihnen eine Ehe- bzw. Lebenspartnerschaftssache anhängig ist und ein Alleinvertretungsrecht dieses Elternteils – aufgrund alleiniger (Personen-)Sorge oder nach § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB – besteht (Amend-Traut, in: beckOGK, Stand: 1.1.2019, § 1629 BGB, Rn 90–93). Unter diesen Voraussetzungen ist (nur) der entsprechende Elternteil berechtigt, das für ihn fremde Recht des gemeinsamen Kindes im eigenen Namen geltend zu machen; ihm ist also die Verfahrensführungsbefugnis übertragen. Hierunter wird die prozessuale Berechtigung verstanden, ein materielles Recht verfahrensrechtlich durchzusetzen. Gewöhnlich knüpft diese verfahrensrechtliche Befugnis an die Behauptung der Berechtigung bzw. Verpflichtung der Beteiligten entsprechend des zur Entscheidung gestellten materiellen Rechts an (Musielak/Voit-Weth, ZPO, 15. Aufl. 2018, § 51, Rn 16); bei (gesetzlicher oder gewillkürter) Verfahrensstandschaft fällt beides auseinander.
Hinweis:
Bestehen die Voraussetzungen dieser Verfahrensstandschaft bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung in einer Tatsacheninstanz (BGH NJW-RR 1993, 442) nicht mehr fort, fehlt es sodann an einer Zulässigkeitsvoraussetzung (BGH NJW-RR 2006, 138).
Für diesen Fall wäre der Hinweis des BGH sachgerecht gewesen, indes lag ein solcher Fall nicht vor.
Gesetzliche Vertretung
Im Fall der gesetzlichen Vertretung eines Kindes als unmittelbarem Verfahrensbeteiligten bleibt dessen aus der Geltendmachung eines eigenen Rechts im eigenen Namen resultierende Verfahrensführungsbefugnis dagegen unberührt. Dies verkennt der Hinweis des BGH. Durch den Verlust der Obhut des bisher vertretenden Elternteils endet nur seine gesetzliche Vertretungsmacht nach § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB mit der Folge, dass das verfahrensunfähige, § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, § 52 ZPO, §§ 104 ff. BGB, Kind nicht mehr ordnungsgemäß vertreten ist, § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, § 51 Abs. 1 ZPO.
Da es sich bei einem Unterhaltsverfahren als Familienstreitsache, § 112 Nr. 1 FamFG, um ein Anwaltsverfahren handelt, § 114 Abs. 1 FamFG, ...