Der praktisch bedeutsamste Fall einer personenbedingten Kündigung ist die Kündigung wegen Krankheit. Auch ihre soziale Rechtfertigung wird von den Arbeitsgerichten in drei Stufen geprüft (vgl. BAG, Urt. v. 13.5.2015 – 2 AZR 565/14, NZA 2015, 1249, 1250, Rn 12; BAG, Urt. v. 20.11.2014 – 2 AZR 755/13, NZA 2015, 612, 613, Rn 16). Eine krankheitsbedingte Kündigung ist danach i.S.d. § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt:
- wenn eine negative Prognose hinsichtlich der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers vorliegt (1. Stufe),
- wenn eine darauf beruhende erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher oder wirtschaftlicher Interessen des Arbeitgebers festzustellen ist (2. Stufe) und
- wenn eine Interessenabwägung ergibt, dass die betrieblichen bzw. wirtschaftlichen Beeinträchtigungen zu einer billigerweise nicht mehr hinzunehmenden Belastung des Arbeitgebers führen (3. Stufe).
Im Rahmen dieser dreistufigen Prüfung hat das sog. betriebliche Eingliederungsmanagement (kurz: BEM) eine erhebliche Bedeutung.
Als Krankheit wird im Ausgangspunkt ein regelwidriger Körper- oder Geisteszustand bezeichnet, der einer Heilbehandlung bedarf (BAG, Urt. v. 9.4.2014 – 10 AZR 637/13, NZA 2014, 719, Rn 18).
Die Rechtsprechung unterscheidet drei Kategorien krankheitsbedingter Kündigungen:
- die Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen,
- die Kündigung wegen langandauernder Erkrankungen und
- die Kündigung wegen krankheitsbedingter dauernder Leistungsunfähigkeit.
Häufige Kurzerkrankungen liegen vor, wenn ein Arbeitnehmer aufgrund von Erkrankungen wiederholt über kurze Zeiträume unvorhersehbar ausfällt. Ebenso ist der Tatbestand der häufigen Kurzzeiterkrankung erfüllt, wenn sich einzelne Krankheitsphasen, die auf verschiedenen Krankheitsbildern beruhen und zu einem häufigen Wechsel von Krankheits- und Arbeitsphasen führen, über mehrere Monate erstrecken (BAG, Urt. v. 20.11.2014 – 2 AZR 755/13, NZA 2015, 612, Rn 15).
Von einer langandauernden Erkrankung ist auszugehen, wenn sich die eingetretene Krankheit voraussichtlich über einen erheblichen, zusammenhängenden Zeitraum erstreckt. Bei einer langandauernden Erkrankung ist die Genesung nicht ausgeschlossen, während die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit bei einer krankheitsbedingten dauernden Leistungsunfähigkeit völlig ungewiss ist. In diesem Fall ist der Arbeitnehmer dauerhaft nicht in der Lage, seine arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen (BAG, Urt. v. 13.5.2015 – 2 AZR 565/14, NZA 2015, 1249, Rn 18; BAG, Urt. v. 19.4.2007 – 2 AZR 239/06, NZA 2007, 1041, Rn 18).
Der Fall einer gesundheitsbedingten Leistungsminderung kommt in Betracht, wenn der Arbeitnehmer zwar wieder einsetzbar ist, aber seine geschuldete Arbeitspflicht auch in Zukunft nur noch in vermindertem Umfang erfüllen kann (BAG, Urt. v. 20.3.2014 – 2 AZR 825/12, NZA 2014, 1089, Rn 20).
1. Stufe 1: Negative Prognose hinsichtlich der voraussichtlichen Dauer der Arbeitsunfähigkeit
Eine negative Gesundheitsprognose liegt vor, wenn bei Zugang der Kündigung aufgrund objektiver Tatsachen damit zu rechnen ist, dass der Arbeitnehmer auch in Zukunft seinem Arbeitsplatz krankheitsbedingt in erheblichem Umfang – aufgrund häufiger Kurzerkrankungen oder aufgrund einer langanhaltenden Erkrankung – fernbleiben wird (BAG, Urt. v. 21.2.2001 – 2 AZR 558/99, NZA 2001, 1071, Rn 20).
Das BAG konkretisiert die vorstehend aufgeführten Grundsätze in folgendem Prüfungsaufbau: Bei häufigen Kurzzeiterkrankungen muss die auf objektiven Tatsachen beruhende Prognose darauf schließen lassen, dass der Arbeitnehmer weiterhin in erheblichem Umfang – von mehr als sechs Wochen im Jahr – erkranken wird, z.B. weil eine Grunderkrankung vorliegt, die nicht geheilt ist und erfahrungsgemäß regelmäßig wieder zu Krankschreibungen führt. In der Regel darf der Arbeitgeber sich daher auf der ersten Prüfungsstufe darauf beschränken, die Krankheitszeiten des Arbeitnehmers nach Zahl, Dauer und zeitlicher Folge im Einzelnen darzustellen und zu behaupten, in Zukunft seien Fehlzeiten in entsprechendem Umfang zu erwarten (BAG, Urt. v. 20.11.2014 – 2 AZR 755/13, NZA 2015, 612, Rn 17). Für die Prognose eignet sich ein Referenzzeitraum von drei Jahren, der allerdings nicht starr einzuhalten ist (BAG, Urt. v. 25.4.2018 – 2 AZR 6/18, NZA 2018, 1056).
Praxishinweis bzgl. der Darlegungs- und Beweislast:
Indizieren die von dem Arbeitgeber herangezogenen krankheitsbedingten Fehlzeiten eine negative Gesundheitsprognose, ist es sodann Sache des Arbeitnehmers gem. § 138 Abs. 2 ZPO darzulegen, weshalb im Kündigungszeitpunkt mit einer baldigen Genesung zu rechnen war. Er kann dazu vortragen, dass bestimmte Fehlzeiten auf mittlerweile ausgeheilte Krankheiten zurückzuführen und deshalb für die Negativprognose nicht mehr relevant sind. Im Allgemeinen genügt der Arbeitnehmer seiner prozessualen Mitwirkungspflicht schon dann, wenn er vorträgt, die behandelnden Ärzte hätten seine gesundheitliche Entwicklung bzgl. sämtlicher prognosetragender Erkrankungen im Kündigungszeitpunkt positiv beurteilt, und wenn er diese von ihrer Schweigepflicht entbindet. Je nach Erheblichkeit des arbeitnehmersei...