Auf der anderen Seite stellt das Verschulden des Rechtsanwalts bei § 628 Abs. 1 S. 2 BGB, anders als bei § 54 RVG, kein zwingendes Tatbestandserfordernis dar. Während der Anwalt auch bei der Mandatsniederlegung „schuldlos” handeln kann, ist dies gleichzeitig für den Tatbestand des § 628 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 BGB ohne Bedeutung. Denn diese Alternative stellt allein auf ein pflichtwidriges Verhalten des Mandanten ab, nicht aber auf ein Verschulden des Anwalts (Henssler/Deckenbrock NJW 2005, 1, 3 f.; Henssler/Deckenbrock MDR 2005, 1321, 1322; ebenso Deckenbrock NJW 2012, 3791, 3792 und MüKo/Henssler, a.a.O., § 628 Rn 32). Dahinter steht eine gesetzgeberische Wertentscheidung, welche grds. dem Verursacher der Mandatsbeendigung das Vergütungsrisiko auferlegt. Solange nicht einer Partei die schuldhafte Verletzung einer Vertragspflicht angelastet werden kann, verbleibt das Vergütungsrisiko bei der Partei, deren Sphäre (der Grund für) die Mandatsbeendigung zuzurechnen ist.
Dieser Unterschied macht sich etwa bemerkbar, wenn sich das Vertragsverhältnis aufgrund unüberbrückbarer Differenzen derart zuspitzt, dass es zu einer Mandatsniederlegung kommt. Zu solchen Spannungen kann es bei einer engen Zusammenarbeit kommen, ohne dass dies am Ende einer Partei anzulasten wäre (Hartung/Schons/Enders/Hartung, a.a.O., § 54 Rn 19; Schneider/Wolf/Fölsch, a.a.O., § 54 Rn 5). Während der Rechtsanwalt nach den zuvor dargestellten Grundsätzen gleichwohl eine Kürzung seiner Vergütung über § 628 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 BGB hinzunehmen hätte, lässt sich eine Beeinträchtigung des Gebührenanspruchs gegen die Staatskasse nicht ohne Weiteres auf diese Fallgestaltung stützen. Denn die Rechtsprechung erkennt solch schwerwiegende Differenzen als einen wichtigen Grund für die Aufhebung der Beiordnung i.S.d. § 48 Abs. 2 BRAO an (BGH NJW-RR 1992, 189, 189). Da der Rechtsanwalt seinen Anspruch gegen die Staatskasse behält, wenn er aus einem von ihm nicht verschuldeten wichtigen Grund die Aufhebung seiner Beiordnung beantragt, stünde er hier besser als im Fall seiner „freien” Beauftragung durch den Mandanten. Zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangt man auch im Fall der Rückgabe der Anwaltszulassung aus achtenswerten Gründen. Während eine Vergütungsminderung bereits nach dem Wortlaut des § 54 RVG ausgeschlossen ist (vgl. BGH NJW 2012, 3790, Rn 8 ff.), muss der frei mandatierte Anwalt die Herabsetzung der Vergütung nach § 628 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 BGB hinnehmen (s.o. II. 3. c).
Während der Anwalt i.R.d. § 628 Abs. 1 S. 2 BGB grds. die Niederlegung des Mandats zunächst androhen muss, will er eine Kürzung seiner Vergütung vermeiden, kommt ein entsprechendes Abmahnungserfordernis bei § 54 RVG aufgrund der divergierenden Vergütungsschuldner nicht in Betracht (eingehend Aly, a.a.O., S. 256 ff.).