Selbst wenn man dem BGH folgt und eine materiell-rechtliche Prüfung im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens grds. ablehnt, könnte im Fall der §§ 627, 628 BGB gleichwohl eine Ausnahme anzuerkennen sein. Denn der BGH selbst hat in mittlerweile gefestigter Rechtsprechung Voraussetzungen benannt, bei deren Vorliegen er von den eigens aufgestellten Grundsätzen abweicht. So sei es angesichts des ungleich größeren Aufwands unter dem Gesichtspunkt der prozessualen Gleichbehandlung und aus verfahrensökonomischen Gründen nicht angezeigt, die unterlegene Partei auf die Vollstreckungsgegenklage zu verweisen, sofern sich die materiell-rechtlichen Einwände ohne weitere Tatsachenaufklärung auch im Kostenfestsetzungsverfahren berücksichtigen lassen, etwa weil sich ihre Voraussetzungen ohne Schwierigkeiten aus den Akten ermitteln lassen oder sie unstreitig sind (BGH NJW 2014, 2287, Rn 8; BGH NJW-RR 2007, 422 [422]; BGH NJW 2006, 1962 [1962]).
Angenommen, die in der Literatur geäußerte Auffassung, nach welcher in den Fällen der Kündigung des Rechtsanwalts gem. § 627 Abs. 1 BGB nie die Kosten mehrerer Rechtsanwälte erstattungsfähig sind (Deckenbrock NJW 2012, 3791, 3792; MüKo/Henssler, BGB, Bd. 6, 8. Aufl. 2020, § 628 Rn 32) trifft ausnahmslos zu, dann müsste dies in konsequenter Anwendung der von der Rechtsprechung eigens aufgestellten Grundsätze als unzweifelhafte Tatsache vom Rechtspfleger bereits i.R.d. Kostenfestsetzungsverfahrens berücksichtigt werden (in diese Richtung auch BeckOK/Jaspersen, a.a.O., § 91 Rn 178). Denkbar sind vier Szenarien:
Kündigt der Anwalt, ohne durch ein vertragswidriges Verhalten des Mandanten dazu veranlasst worden zu sein, geht der Vergütungsanspruch gem. § 628 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 BGB insoweit unter, als der Mandant an den bisherigen Leistungen kein Interesse hat, also in dem Umfang, in dem der Mandant einen anderen Anwalt beauftragen muss, für den die gleichen Gebühren noch einmal entstehen. Nimmt der zweite Rechtsanwalt Handlungen noch einmal vor, führt die Regelung des § 15 Abs. 4 RVG dazu, dass hinsichtlich dieser der Vergütungsanspruch des ersten Anwalts gänzlich untergeht. Werden die Handlungen nicht noch einmal vorgenommen, so bleibt es dementsprechend bei der Vergütung des ersten Anwalts, sodass die Kosten diejenigen eines einzigen Rechtsanwalts nicht übersteigen, § 91 Abs. 2 S. 2 Alt. 1 ZPO.
Hinweis:
Gleich zu behandeln ist der Fall, dass dem Rechtsanwalt die Mandatsfortführung unmöglich wird, etwa weil er seine Anwaltszulassung (aus achtenswerten Gründen) zurückgibt. Da der Grund für die Mandatsbeendigung in diesen Fällen allein der Sphäre des Anwalts entstammt, ist die Spezialregelung des § 628 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 BGB hier ebenfalls anzuwenden. Dies gilt unabhängig davon, ob eine Kündigung formal erfolgt ist oder ob der Anwalt die Unmöglichkeit verschuldet hat (s. dazu III. 2. b); ausführlich Aly, a.a.O., S. 297 ff.).
- Sofern der Mandant die Mandatsniederlegung des Anwalts durch sein vertragswidriges Verhalten provoziert hat, kann dieser einen seinen bisherigen Leistungen entsprechenden Teil der Vergütung verlangen, auch wenn sich der neubeauftragte Anwalt dieselben Handlungen noch einmal vergüten lässt. Allerdings sind die Gesamtkosten nur dann erstattungsfähig, wenn der Anwaltswechsel notwendig war, § 91 Abs. 2 S. 2 Alt. 2 ZPO. Da dies wiederum voraussetzt, dass weder der Mandant noch der Rechtsanwalt die zum Anwaltswechsel führenden Umstände hätten vermeiden können (BeckOK/Jaspersen, a.a.O., § 91 Rn 181), sind die Kosten beider Anwälte in diesem Fall nicht zu erstatten. Denn der Mandant hätte den Anwaltswechsel durch vertragsgemäßes Verhalten verhindern können.
- Kündigt der Mandant, ohne durch vertragswidriges Verhalten des Anwalts dazu veranlasst worden zu sein, behält dieser ebenfalls seinen Vergütungsanspruch. Da die Kündigung ohne Veranlassung und somit aus freien Stücken erfolgt, fehlt es jedoch erneut an der Notwendigkeit des Anwaltswechsels i.S.d. § 91 Abs. 2 S. 2 Alt. 2 ZPO.
- Ist die Mandatsentziehung die Folge eines vertragswidrigen Verhaltens des Anwalts, wird der Vergütungsanspruch des ersten Anwalts in dem Umfang herabgesetzt, in dem die Gebühren für einen zweiten Rechtsanwalt noch einmal entstehen, § 628 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB. Fallen die Gebühren nicht noch einmal an, so übersteigen die Kosten nicht diejenigen eines einzigen Anwalts, § 91 Abs. 2 S. 2 Alt. 1 ZPO.
Dass i.R.d. §§ 627, 628 BGB nie die Kosten mehrerer Rechtsanwälte zu erstatten sind, steht damit unzweifelhaft fest und bedarf keiner weiteren rechtlichen Würdigung. Gibt der Anwalt seine Zulassung auf, so steht ihm ein Vergütungsanspruch bereits nach bürgerlich-rechtlichen Grundsätzen nicht zu, weshalb es – entgegen der Rechtsprechung des BGH – auf die Notwendigkeit des Anwaltswechsels nach § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO gar nicht mehr ankommt.