Pfändbares Arbeitseinkommen bei Entgeltumwandlung nach § 1a Abs. 1 S. 1 BetrAVG
Das BAG (Urt. v. 14.10.2021 – 8 AZR 96/20, NZA 2022, 140, hierzu Langohr-Plato, jurisPR-ArbR 4/2022 Anm. 4) hatte zur Frage des pfändbaren Arbeitseinkommens i.S.v. § 850 Abs. 2 ZPO zu entscheiden, wenn eine Entgeltumwandlung nach Pfändungs- und Überweisungsbeschluss erfolgt.
Die Parteien stritten im Wege der Drittschuldnerklage, ob eine vereinbarte Entgeltumwandlung in eine von der Arbeitgeberin zugunsten der Arbeitnehmerin abgeschlossene Lebensversicherung (Direktversicherung) zum pfändbaren Einkommen der Arbeitnehmerin i.S.v. § 850 Abs. 2 ZPO gehört. Der Kläger ist der geschiedene Ehemann der Arbeitnehmerin. Die Beklagte ist deren Arbeitgeberin. Bei der Scheidung des Klägers und der Arbeitnehmerin wurde eine Aufteilung von Schulden aus einem laufenden Bauprozess vereinbart. Die Arbeitnehmerin zahlte nicht. Sie wurde im Wege eines familiengerichtlichen Versäumnisbeschlusses zur Zahlung von 22.679,60 EUR nebst Zinsen an den Kläger rechtskräftig verurteilt. Zahlungen erfolgten nicht. Aufgrund dieses Versäumnisbeschlusses erwirkte der Kläger einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss (PfüB) über das gegenwärtige und zukünftige Arbeitseinkommen der Arbeitnehmerin. Der PfüB wurde der Arbeitgeberin im November 2015 zugestellt. Im Mai 2016 schlossen die Arbeitnehmerin und die Arbeitgeberin eine Entgeltumwandlungsvereinbarung. Diese hatte eine betriebliche Altersversorgung im Wege einer Direktversicherung zum Gegenstand. Nach dem Versicherungsvertrag ist Versicherungsnehmerin die Arbeitgeberin, Begünstigte ist die Arbeitnehmerin. Der von der Arbeitgeberin monatlich in die Direktversicherung einzuzahlende Beitrag beträgt 248 EUR. In der Folgezeit leistete die Arbeitgeberin aufgrund des PfüB Zahlungen an den Kläger, wobei sie bei der Ermittlung des pfändbaren Einkommens der Streitverkündeten den monatlichen Versicherungsbeitrag i.H.v. 248 EUR unberücksichtigt ließ. Mit seiner Klage begehrt der Kläger von der Arbeitgeberin höhere Zahlungen. Er hat die Auffassung vertreten, dass die Entgeltumwandlung das pfändbare Einkommen der Streitverkündeten nicht reduziere. Diese habe mit der Zustellung des PfüB die Verwertungszuständigkeit über ihre Forderung verloren. Im Übrigen gelte der Rechtsgedanke des § 850h ZPO.
Während das ArbG die Klage abwies, gab das LAG ihr teilweise statt. Die Revision der Beklagten war vor dem Achten Senat des BAG erfolgreich – die Klage wurde vollständig abgewiesen. Vereinbaren die Arbeitsvertragsparteien, dass der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer eine Direktversicherung abschließt und ein Teil der künftigen Entgeltansprüche des Arbeitnehmers durch Entgeltumwandlung für seine betriebliche Altersversorgung verwendet werden, liegt insoweit grds. kein pfändbares Einkommen i.S.v. § 850 Abs. 2 ZPO mehr vor (so bereits BAG, Urt. v. 30.7.2008 – 10 AZR 459/07, NZA 2009, 747). Daran ändert der Umstand, dass die Entgeltumwandlungsvereinbarung hier erst nach Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses getroffen wurde, jedenfalls vorliegend deshalb nichts, weil die Streitverkündete mit der mit der Beklagten getroffenen Entgeltumwandlungsvereinbarung von ihrem Recht aus § 1a Abs. 1 S. 1 BetrAVG auf betriebliche Altersversorgung durch Entgeltumwandlung Gebrauch gemacht hat und der in § 1a Abs. 1 S. 1 BetrAVG vorgesehene Betrag nicht überschritten wurde. Bei einer an § 1a Abs. 1 S. 1 BetrAVG orientierten normativen Betrachtung (s. Rn 27-30 der Entscheidung, wo v.a. auf den gesetzgeberischen Willen abgestellt wird, angesichts des wiederholt abgesenkten Leistungsniveaus der gesetzlichen Rentenversicherung Arbeitnehmern den eigenverantwortlichen Aufbau einer kapitalgedeckten betrieblichen Altersversorgung zu ermöglichen) stellt die von der Streitverkündeten mit der Beklagten getroffene Entgeltumwandlungsvereinbarung keine den Kläger als Gläubiger benachteiligende Verfügung i.S.v. § 829 Abs. 1 S. 2 ZPO dar. In einem solchen Fall scheidet zudem ein Rückgriff auf § 850h ZPO aus. Ob eine andere Bewertung dann geboten ist, wenn – anders als hier – ein höherer Betrag als der in § 1a Abs. 1 S. 1 BetrAVG vorgesehene umgewandelt wird, musste der Senat nicht entscheiden. Schließlich hebt der Senat darauf ab, dem Kläger werde durch die vereinbarte Entgeltumwandlung kein Vermögensbestandteil, auf denen er im Wege der Zwangsvollstreckung grds. zurückgreifen kann, auf Dauer entzogen. Ihm stehe nämlich die seiner geschiedenen Ehefrau mit dem Abschluss des Versicherungsvertrags zugewendeten Vorteile spätestens dann – i.R.d. Pfändbarkeit – zur Verfügung, wenn er deren Ansprüche auf die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung aus der Direktversicherung pfänden und sich zur Einziehung überweisen lässt (Rn 39 m.w.N.).
Hinweise:
1. |
Mit Bindungswirkung entschieden ist nur die Entgeltumwandlung nach § 1a Abs. 1 S. 1 BetrAVG. |
2. |
Im Wege „wertenden Betrachtung” stuft das BAG einen vorsätzlichen Eingriff in das staatlich erwirkte Pfändungspfandrecht hö... |