Zum 1.7.2004 hat das RVG die BRAGO abgelöst und regelt seit nunmehr 20 Jahren die Vergütungsansprüche der Anwaltschaft. Immer noch trauern manche Kollegen der „guten alten BRAGO” hinterher. Völlig zu Unrecht. Etwas mehr Dankbarkeit und Respekt vor dem RVG wäre durchaus angebracht. Das RVG hat gegenüber der BRAGO deutliche Verbesserungen geschaffen, die häufig gar nicht richtig gewürdigt werden. Während sich nach der BRAGO der Höchstsatz einer Geschäftsgebühr auf 10/10 belief, also auf 1,0, reicht die Geschäftsgebühr jetzt bis 2,5. Schon die Schwellengebühr mit 1,3 liegt deutlich über der alten Gebühr. Zugegebenermaßen gab es früher noch eine Besprechungsgebühr. Diese wurde aber selten erfüllt und wenn, dann auch nur nach langem Kampf.
Auch im Sozial- und Verwaltungsrecht haben sich deutliche Verbesserungen ergeben, zumal Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren als gesonderte Angelegenheiten abzurechnen sind, was nach der BRAGO nicht der Fall war und von vielen Kollegen verdrängt wird. Im erstinstanzlichen gerichtlichen Verfahren sind die Gebühren mit 1,3 (Verfahrensgebühr) und 1,2 (Terminsgebühr) deutlich höher als nach der BRAGO, bei der es jeweils nur 10/10-Gebühren gab. Auch ist die Ermäßigung der Terminsgebühr bei nicht streitigen Verhandlungen (z.B. Anerkenntnisurteil) weggefallen. Zudem ist der Anwendungsbereich der Terminsgebühr durch die sog. fiktive Terminsgebühr und die Möglichkeit, diese auch durch außergerichtliche Besprechungen zur Vermeidung oder Erledigung eines Verfahrens zu verdienen, deutlich angehoben worden. Soweit immer wieder bemängelt wird, die Beweisgebühr sei weggefallen, sei auf die Zusatzgebühr nach Nr. 1010 VV hingewiesen, die einen gewissen Ausgleich schafft.
Sicherlich ist der Wegfall der Beweisgebühr für manche Rechtsgebiete, in denen regelmäßig Beweiserhebungen erfolgen, misslich; andererseits sind die übrigen Gebühren deutlich höher.
Auch in Familiensachen haben sich erhebliche Verbesserungen ergeben, schon allein dadurch, dass FG-Verfahren abzurechnen sind wie gewöhnliche Verfahren und dass einstweilige Anordnungsverfahren gesondert abzurechnen sind. Auch diese Verbesserungen werden häufig nicht gewürdigt.
Auch die Strafrechtler haben vom RVG erheblich profitiert, so ist eine besondere Terminsgebühr für Termine außerhalb der Hauptverhandlung eingeführt worden, die Zusätzliche Gebühr bei Erledigung des Verfahrens ist verdoppelt worden und zudem ist ihr Anwendungsbereich deutlich erweitert worden.
Auch der Wegfall der Beratungsgebühr ist nicht nachteilig, was regelmäßig verkannt wird. Während früher hier gesonderte Gebühren (bis 10/10) vorgesehen waren, soll der Mandant jetzt mit seinem Anwalt eine Gebührenvereinbarung treffen. Er ist also in der Höhe seiner Vergütung völlig frei und kann deutlich mehr verlangen als früher. Er muss halt eben nur einmal über das Geld reden.
Auch die Regelungen zu Vergütungsvereinbarungen sind modernisiert worden. Im Gegensatz zur BRAGO erlaubt das RVG nunmehr die zuvor nicht zulässigen Erfolgshonorare.
Zwei Gebührenanpassungen hat das RVG schon hinter sich. Die dritte steht unmittelbar vor der Tür. Das RVG ist also deutlich besser als sein Ruf und bietet in den meisten Fällen durchaus auskömmliche Einkünfte, vorausgesetzt, man kennt sich mit den Regelungen des RVG aus und wendet diese auch an. Leider ist hier immer noch zu beobachten, dass viele Kollegen sich mit dem für sie so wichtigen Vergütungsrecht gar nicht befassen, sich aber dennoch beschweren. Im Übrigen gilt für diejenigen, die sich mit den gesetzlichen Gebühren nicht zufriedengeben wollen, dass nach § 3a RVG Vergütungsvereinbarungen mit dem Mandanten möglich sind.
Auch hier gilt allerdings – was in der Praxis häufig versäumt wird –, dass man sich die Vorschriften der Vergütungsvereinbarungen einmal anschauen und sie auch berücksichtigen sollte.
ZAP F., S. 505–506
Rechtsanwalt Norbert Schneider, Neunkirchen-Seelscheid