I. Einbeziehung von AGB in einen Vertrag (§ 305 Abs. 2 BGB)
AGB werden nach § 305 Abs. 2 BGB nur dann Bestandteil eines Vertrags, wenn der Verwender bei Vertragsschluss die andere Vertragspartei ausdrücklich auf sie hinweist und der anderen Vertragspartei die Möglichkeit verschafft, in zumutbarer Weise von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen, und wenn die andere Vertragspartei mit ihrer Geltung einverstanden ist.
Der BGH (Urt. v. 2.3.2023 – III ZR 108/22) hatte sich mit der Einbeziehung von Anlagebedingungen als AGB in Investmentverträge zu befassen. Die Anlagebedingungen eines Investmentfonds (OGAW-Sondervermögen) nach den §§ 162, 163 KAGB müssen nach Ansicht des BGH als AGB i.S.d. §§ 305 ff. BGB wirksam in den Investmentvertrag zwischen dem Anleger und der Kapitalverwaltungsgesellschaft einbezogen werden. Dies geschieht beim unmittelbaren oder durch Dritte vermittelten Ersterwerb von Fondsanteilen von der Kapitalverwaltungsgesellschaft durch einen Privatanleger nach § 305 Abs. 2 BGB. Beim Zweiterwerb von Fondsanteilen über eine Börse oder auf dem freien Markt tritt der Letzterwerber aufgrund eines Rechtskaufs i.S.d. § 453 BGB in sämtliche Rechte und Pflichten des Ersterwerbers aus dem Investmentvertrag ein, weshalb es im Verhältnis zwischen ihm und der Kapitalverwaltungsgesellschaft keiner erneuten rechtsgeschäftlichen Anerkennung der Anlagebedingungen bedarf. Vielmehr reicht es aus, dass die Anlagebedingungen wirksam in den zwischen der Kapitalverwaltungsgesellschaft und dem Ersterwerber geschlossenen Investmentvertrag einbezogen worden sind (BGH, a.a.O., 3. Ls. in Bestätigung von BGH, Urt. v. 21.4.2022 – III ZR 268/20, Rn 18 ff.).
II. Zweifel bei der Auslegung von AGB (§ 305c Abs. 2 BGB)
Zweifel bei der Auslegung von AGB gehen nach § 305 Abs. 2 BGB zu Lasten des Verwenders.
1. Versicherungsschutz bei coronabedingter Betriebsschließung (Betriebsschließungs-Pauschalversicherung)
Die Regelung der Klausel Ziff. 3.4 BBSG 19 (Bedingungen für die Betriebsschließungs-Pauschalversicherung Gewerbe), wonach meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieser Bedingungen die in den §§ 6 und 7 IfSG namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger sind, ist nach Ansicht des BGH (Urt. v. 18.1.2023 – IV ZR 465/21, Koch, EWiR 2023, 270) unklar i.S.v. § 305c Abs. 2 BGB, da sie den durchschnittlichen Versicherungsnehmer jedenfalls auch zu dem Verständnis führen kann, dass der Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls maßgeblich ist. Nach den Regelungen in Ziff. 3.1 und 3.4 BBSG 19 setzt der Eintritt des Versicherungsfalls die namentliche Nennung der Krankheit oder des Krankheitserregers in den §§ 6 und 7 IfSG im Zeitpunkt der Betriebsschließung voraus. Eine Erweiterung der Meldepflicht für in diesen Regelungen nicht namentlich genannte Krankheiten und Krankheitserreger durch eine auf der Grundlage von § 15 Abs. 1 IfSG erlassene Rechtsverordnung genügt nicht.
In einer früheren Entscheidung hatte der BGH (Urt. v. 26.1.2022 – IV ZR 144/21) in Bezug auf pandemiebedingte Betriebsschließungen noch festgestellt, dass im Hinblick auf die Frage, ob die Bezugnahme auf eine Rechtsnorm statisch oder dynamisch zu verstehen ist, die Fassung im Zeitpunkt des Vertragsschlusses maßgeblich sei (die Police sah nach Ansicht des BGH einen abschließenden Katalog von Krankheiten bzw. Krankheitserregern vor). Im aktuell entschiedenen Fall sieht die Police keinen Katalog vor – dieser war nur Bestandteil eines Anhangs, auf den die Police nicht verwies.
In Rede steht der Versicherungsvertrag als Dauerschuldverhältnis, bei dem es – nach Vertragsschluss – zu einer Rechtsänderung gekommen ist. Welche Gesetzesfassung ist für die Auslegung der Verweisklausel auf eine Rechtsnorm in einem solchen Fall maßgeblich?
Dies sei – so der BGH jetzt – keine Frage der Inhaltskontrolle der Klausel, sondern (im Vorfeld einer solchen) der Auslegung, wofür § 305c Abs. 2 BGB maßgeblich ist. Wenn für eine Verweisklausel, da eine Auslegung nach dem Wortlaut nicht weiterhilft, sowohl eine statische (bezogen auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses) als auch eine dynamische Auslegung in Betracht kommt, ohne dass ein dabei gewonnenes Ergebnis eindeutig ist, erfolgt eine den Versicherungsnehmer begünstigende Auslegung durch einen Vergleich der Gesetzesfassungen zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bzw. zum Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls.
Konkret fehlte im Zeitpunkt der ersten Betriebsschließung im IfSG eine namentliche Nennung von COVID 19, SARS-CoV bzw. SARS-CoV 2 mit der Folge, dass ein Entschädigungsanspruch ausschied (statischer Verweis), während der BGH für die zweite Betriebsschließung aufgrund der fehlenden Bezugnahme auf die in den §§ 6 und 7 IfSG genannten Krankheiten und Krankheitserreger in den Versicherungsbedingungen keine Beschränkung des Leistungsversprechens auf den Rechtszustand im Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu erkennen vermochte (dynamischer Verweis) mit der Folge, dass ein Entschädigungsanspruch bestanden hat.
2. Neukundenbonus-Klausel in einem Energieversorgungsvertrag
Beschränkt sich eine Bestimmung in einem Energielieferungsvertrag über die Berechnung des Jahresverbrauchspreises ausschließlich auf die Formulierung „Grundpreis: ... EUR/Monat (inkl. 19 % MwSt.) – Arbeitspreis: ... EUR/Monat (inkl. 19 ...