Bei einem Widerspruch gegen das schriftliche Verfahren nach § 72 OWiG (zum Beschlussverfahren nach § 72 OWiG s. Burhoff/Gieg, OWi, Rn. 511 ff.; zur Rechtsbeschwerde in diesen Fällen Burhoff/Junker, OWi, Rn. 3378 ff.) kommt es für die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde nicht auf die Höhe der festgesetzten Geldbuße und den Wert der etwa angeordneten Nebenfolgen vermögensrechtlicher Natur an, da die Beteiligten in jedem Fall ein Recht auf mündliche Verhandlung haben.
Die Rechtsbeschwerde gegen eine gem. § 72 OWiG ergangene Beschlussentscheidung ist nach § 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 OWiG zulässig, wenn der Beschwerdeführer dem schriftlichen Verfahren nach § 72 OWiG rechtzeitig widersprochen hat. Sie ist nicht nur bei einem ausdrücklich erklärten Widerspruch gegen das Beschlussverfahren zulässig, sondern nach der Rechtsprechung in entsprechender Anwendung von § 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 OWiG in allen Fällen, in denen entweder kein uneingeschränktes Einverständnis mit dem schriftlichen Verfahren vorgelegen hat oder keine hinreichende und faire Gelegenheit zum Widerspruch gegeben worden ist. Das ist z.B. der Fall, wenn keine Frist zur Stellungnahme gegeben oder eine gewährte Frist nicht abgewartet worden ist (BGHSt 32, 394 ff.; vgl. auch Burhoff/Gieg, OWi, Rn. 560 f.; Göhler/Seitz, § 72 Rn. 70 ff. m.w.N.).
Wird die Rechtsbeschwerde auf eine Verletzung des § 72 Abs. 1 S. 2 OWiG gestützt, muss der Beschwerdeführer, da es sich nach h.M. um eine Verfahrensrüge handelt, in der Begründung die den Verfahrensmangel enthaltenden Tatsachen angeben (BGHSt 23, 298 = NJW 1970, 1613; Göhler/Seitz, § 79 Rn. 15 m.w.N.; a.A. KK-Senge, § 79 Rn. 27, wonach von Amts wegen zu prüfen sei, ob der Betroffene dem schriftlichen Verfahren widersprochen habe). Zur Begründung seiner Rüge muss der Betroffene ggf. auch die Tatsachen vortragen, aus denen sich ableitet, dass der Hinweis nach § 72 Abs. 1 S. 2 OWiG nicht in seinen Empfangsbereich gelangt oder dass der Widerspruch rechtzeitig bei Gericht eingegangen ist. Für den Nachweis gelten die Regeln des Freibeweisverfahrens.
Beantragt der Betroffene bei einem verspäteten Widerspruch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (s. § 72 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 OWiG; zur Wiedereinsetzung vgl. Burhoff/Burhoff, OWi, Rn. 4515 ff.; Burhoff, Handbuch für die strafrechtliche HV, 7. Aufl., 2013, Rn. 3524 [im Folgenden kurz: Burhoff, HV]; Burhoff/Burhoff, RM, Teil B Rn. 1815 ff.), so sind gleichwohl die Frist zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde sowie die Formvorschriften zu wahren, falls die Rechtsbeschwerde hilfsweise darauf gestützt werden soll, der Verwerfungsbeschluss des AG sei rechtsfehlerhaft. Allerdings reicht es dann nach § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 342 Abs. 1, 2, 3 S. 2 StPO aus, wenn die Rechtsbeschwerde nur vorsorglich für den Fall eingelegt wird, dass dem Wiedereinsetzungsantrag nicht stattgegeben wird. Wird dem Wiedereinsetzungsantrag stattgegeben, wird die Rechtsbeschwerde gegenstandslos.
Praxishinweis:
Wird nur Rechtsbeschwerde eingelegt, gilt dies als Verzicht auf den Wiedereinsetzungsantrag. Deshalb muss die Wiedereinsetzung vor oder spätestens gleichzeitig mit der Rechtsbeschwerde beantragt werden, sonst ist der Antrag unzulässig.