Neben Arbeitsunfällen gehören nach § 7 Abs. 1 SGB VII auch Berufskrankheiten zu den Versicherungsfällen. Bei diesen handelt es sich um Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VI begründenden Tätigkeit erleiden. Den Katalog der Berufskrankheiten enthält Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) vom 31.10.1997, der wiederholt geändert und ergänzt wurde.
Hinweis:
Zuletzt wurde die Berufskrankheiten-Verordnung am 1.8.2017 geändert. Neu aufgenommen wurden:
- Leukämie durch 1,3 Butadien (ein farbloses Gas, das insbesondere zur Weiterverarbeitung bei der Herstellung verschiedener Kunst- und Kautschuksorten sowie in der Kunststoffindustrie verwendet wird),
- Harnblasenkrebs durch polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK), die u.a. bei der Arbeit in Druckereien, im Straßenbau sowie bei der Schornsteinreinigung entstehen,
- die "Vokale Dystonie" als Erkrankung des zentralen Nervensystems bei Instrumentalmusikern durch feinmotorische Tätigkeit hoher Intensität.
Die Berufskrankheit Nr. 4113 (Lungenkrebs durch PAK) wird um die Erkrankung "Kehlkopfkrebs" und die Berufskrankheit Nr. 4104 (Lungenkrebs oder Kehlkopfkrebs in Verbindung mit Asbest) um "Eierstockkrebs" erweitert.
Der Versicherte der hier darzustellenden Entscheidung (BSG, Urt. v. 30.3.2017 – B 2 U 6/15 R) war als Maschinenschlosser in einem Stahlwerk von April 1977 bis Ende 1985 tätig. Bei seiner Tätigkeit als Schweißer war er u.a. Atemwegsbelastungen, insbesondere durch Chrom und Nickel, ausgesetzt. Die Chrom-Exposition betrug mehr als 300 Chrom-Jahre, die Nickelbelastung rund 196 Nickel-Jahre. Allerdings rauchte der Versicherte erheblich und zwar über einen Zeitraum von 20 Jahren mindestens 20 Zigaretten täglich. Er erkrankte 2004 an einem Bronchialkarzinom und verstarb hieran. Die von der Ehefrau des Versicherten beklagte Berufsgenossenschaft (BG) lehnte die Anerkennung dieser Erkrankung als Berufskrankheit Nr. 1103 BKV ab.
Das BSG billigt die Feststellung des Berufungsgerichts, wonach die Dosis der Chrombelastung – für die nach heutiger Auffassung kein Grenzwert, sondern nur ein Orientierungswert existiert –, der er während seiner Versichertentätigkeit ausgesetzt war, (mit-)ursächlich für seine Erkrankung war. Das Gericht widerspricht aber der Auffassung des LSG, soweit im Rahmen der Wesentlichkeitsprüfung der Einwirkung durch Chrombelastung diejenige durch Tabakrauch gegenübergestellt und ziffermäßig abgewogen wird. Die Wesentlichkeit der berufsbedingten Krankheitsursache ist, so das BSG, vielmehr dann zu bejahen, wenn die Einwirkung rechtlich unter Würdigung auch aller festgestellten mitwirkenden unversicherten Ursachen die Realisierung einer in den Schutzbereich des jeweils erfüllten Versicherungstatbestands fallenden Gefahr ist. Eine solche Gegebenheit liegt hier vor, weil die gesetzliche Unfallversicherung im Rahmen der BK 1103 vor Erkrankungen, insbesondere vor Bronchialkarzinom, durch betriebliche Chrombelastungen schützen und im Fall des Eintritts einer solchen Erkrankung Leistungen gewähren soll. Die Normformulierung der BK 1103, insbesondere der Umstand, dass kein Schwellenwert festgeschrieben wurde, der überschritten sein muss, damit die BK festgestellt werden kann, zeigt, dass Chrom und seine Verbindungen auch niedrigschwellig als gefährlich eingestuft werden. Außerdem wird der Versicherte im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung in dem gesundheitlichen Zustand geschützt, in dem er mit dem gefährdenden Stoff konfrontiert wird. Die Entscheidung des LSG, wonach die abstrakte Möglichkeit, dass die Erkrankung durch eine andere, außerberufliche Einwirkung (mit-)verursacht wurde, würde die Wertentscheidung der BKV unterlaufen. Der Tatbestand der BK 1103 wäre weitgehend bedeutungslos, weil Krebserkrankungen regelmäßig multifaktorielle Geschehensabläufe zugrunde liegen, deren Ursachen teils im beruflichen, teils im außerberuflichen Bereich liegen, ohne dass insofern eine wissenschaftlich begründete exakte Bezifferung der jeweiligen Verursachungsbeiträge möglich ist. Bergen die beruflichen Einwirkungen für sich allein ein so hohes Gefährdungspotential, dass sich darauf eine hinreichende Verursachungswahrscheinlichkeit stützen lässt, ist das Vorhandensein weiterer Einwirkungen rechtlich nicht mehr erheblich.
Die Zurückverweisung erfolgte, weil das LSG – von seiner Rechtsauffassung her konsequent – keine Feststellung zur Höhe der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) und zur Zahlung einer Verletztenrente getroffen hat.